Anthropogeographie

„Heureka! Ich hab‘s! … “

Vespuccis Vision von der „Neuen Welt“

Herbst 1500: Nach mehr als einem Jahr auf See endlich wieder zuhause, hat Amerigo Vespucci noch lange nicht genug von seinem Entdecker- und Abenteurer-Dasein. Ganz im Gegenteil: Er will so schnell wie möglich wieder auf Tour gehen und sich den Duft der großen weiten Welt um die Nase wehen lassen. Und er hat auch schon eine Idee, wie er das bewerkstelligen könnte.

König Manuel I. © gemeinfrei / historisch

In Diensten Portugals

Da er sich auf seiner ersten Südamerika-Reise einen guten Ruf als Navigator und Wissenschaftler erworben hat, ist er nicht nur in Spanien ein gefragter Mann, sondern auch in Portugal, das immer stärker auf den Weltmeeren präsent und erfolgreich ist. Hinzu kommt, dass Vespucci Kenntnis davon erhalten hat, dass der portugiesische König Manuel I. händeringend nach fähigen Seeleuten sucht. Sein Ziel ist es, eine Expedition nach dem sagenumwobenen Brasilien zu schicken. Dieses hat eine Armada von Manuels Schiffen unter dem Kommando von Pedro Álvares Cabral schon im April 1500 auf 16°52′ südlicher Breite zufällig entdeckt und für Portugal in Besitz genommen.

Der portugiesische König will wissen, ob es sich bei Cabrals Fund nur um eine Insel handelt. Oder steht die Region womöglich mit den Gebieten in Verbindung, auf die Seefahrer um Kolumbus unterspanischer Flagge vor kurzem weiter nördlich gestoßen sind? Manuel I. hält Vespucci für eine Bereicherung seiner neuen Erkundungsfahrt, die unter dem Kommando von Gonçalo Coelho stehen wird. Schnell wird man sich einig.

Erfolgreiche Stippvisite

Am 14. Mai 1501 geht es von Lissabon aus los auf den offenen Atlantik. Doch dieses Mal haben die Seefahrer mit einigen Unbilden der Natur zu kämpfen. So bläst der Wind meist nur mäßig bis schwach und die Überfahrt dauert 64 Tage – fast doppelt so lange wie bei Vespuccis erster Fahrt über den Atlantik.

Der Rest der Reise jedoch erweist sich, was die geographischen und biologischen Entdeckungen betrifft, als ähnlich erfolgreich wie Vespuccis frühere Stippvisite in Südamerika. Die Seefahrer dringen im Laufe der Zeit vom Cabo de São Roque nahe der heutigen Großstadt Natal auf 5° südlicher Breite bis weit Richtung Südpol vor – zahlreiche Landgänge inklusive.

„Dieses Land ist sehr anmutig; es ist von zahllosen grünen und gewaltigen Bäumen bewachsen, die nie ihr Laub abwerfen, einen süßen und aromatischen Duft verbreiten und zahllose Früchte hervorbringen, von denen viele wohlschmeckend und gesund sind; das offene Land ist voller Kräuter und Blumen und Wurzeln, die sehr süß und wohlschmeckend sind …“, beschreibt Vespucci später seine Eindrücke vor Ort.

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Guanabara, Rio de la Plata und Patagonien

Zusammen mit seinen Seefahrer-Kollegen stößt er in der Folge unter anderem auf die riesige Guanabara-Bucht an der heute Rio de Janeiro liegt, auf den Rio de la Plata und passiert schließlich angeblich sogar die patagonische Küste.

Irgendwann jedoch wird die Kälte so groß und die See so rau, dass die Männer umdrehen müssen und die Schiffe über Sierra Leone in Afrika und die Azoren wieder nach Europa zurückkehren. Wichtiger als alle Einzelentdeckungen und die vielen neuen exotischen Eindrücke von Land und Leuten ist für Vespucci ein anderes Ergebnis seiner zweiten Fahrt westwärts:

Vespuccis Vision

Denn langsam aber sicher dämmert es dem früheren Banker, dass die gewaltigen Küstenabschnitte, die er befahren hat, nicht zu Asien gehören. Es muss sich um eine „Neue Welt“ handeln, um einen bis vor kurzem völlig unbekannten Kontinent. Er steht damit allerdings im krassen Widerspruch zu seinem noch viel berühmteren Entdecker-Kollegen Christoph Kolumbus. Der ist Zeit seines Lebens davon überzeugt, den Seeweg nach Indien gefunden zu haben.

Doch Vespucci lässt sich nicht beirren. Er beginnt damit, seine neue, revolutionäre Sicht der Welt öffentlich kundzutun. Einen umfangreichen Reisebericht inklusive seiner fundamentalen Erkenntnis schickt er zunächst 1502 als Brief an Lorenzo de Medici. Nur wenig später wird er als „Mundus Novus“ (lateinisch für „Neue Welt“) gedruckt und verteilt. Vespuccis Memoiren erfreuen sich in vielen Teilen Europas alsbald großer Beliebtheit und werden zu einer Art mittelalterlichem „Bestseller“.

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Dieter Lohmann
Stand: 09.06.2011

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Der Amerika-Mann
Auf den Spuren von Amerigo Vespucci

Zahlen statt fremde Völker
Amerigo Vespuccis langer Weg zum Seefahrer

Fremde Länder, fremde Sitten
Vespucci erforscht Südamerika

„Heureka! Ich hab‘s! ... “
Vespuccis Vision von der „Neuen Welt“

Amerikas Geburtsurkunde
Wie gleich zwei Kontinente zu ihren Namen kamen

Vom Anfang für America…
… bis zum Ende von Vespucci

Zwischen Wahrheit und Fiktion
Wie bedeutend war Vespucci?

Held oder Scharlatan?
Versuch eines Fazits

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