Astronomie/Kosmologie

High-Tech in der Pampa

Detektorschirm aus Wassertanks

So rätselhaft die kosmische Strahlung den Physikern erscheint, so geheimnisvoll dürften sich dem Laien die Versuchsaufbauten präsentieren, mit denen die Physiker der kosmischen Strahlung auf die Spur kommen wollen. Die bedeutendste und größte Apparatur zur Erforschung der Strahlung aus dem All befindet sich in einer Weltgegend deren Name sprichwörtlich geworden ist für Natur gewordene Ereignislosigkeit. Der Volksmund weiß, dass man an diesem Ort der Welt nicht viel zu erwarten hat – schon gar nicht internationale Forschung auf Spitzenniveau. Der Pampa.

Observatorium statt Rinder

Die ‚Pampa’ ist eine weitläufige Grassteppe im Südosten Südamerikas. Nichts stört die Gleichförmigkeit dieses Landstrichs, sieht man einmal von dem in der Ferne leuchtenden Gebirgszug der schneebedeckten Anden und den braunen Rücken der hier und dort grasenden Rindviecher ab – einem der Hauptexportartikel der Republik Argentinien. Bis vor einigen Jahren. Mit Inbetriebnahme des ‚Pierre-Auger-Observatoriums’ im Jahre 2001 hat sich das Bild der zivilisationsfernen Steppenlandschaft nachhaltig verändert. Seltsame kreisförmige Objekte, schulterhoch, durchbrechen seitdem als gelbe Farbtupfer auf graugrünem Grund die Monotonie der Einöde.

Auger-Tank in der argentinischen Pampa zum Nachweis kosmischer Strahlung © Pierre Auger Observatorium

1.600 dieser Fremdkörper, Tanks, die mit ultrareinem Wasser angefüllt sind, überziehen in einem Abstand von eineinhalb Kilometern eine Fläche so groß wie das Saarland. Die Wassertanks bilden zusammen genommen einen riesigen Detektorschirm, der dem Nachweis von kosmischer Strahlung der höchsten Energie dient. Im Gegensatz zu niedrig energetischer kosmischer Strahlung, trifft die hier erforschte Strahlung – Strahlung, bei der die Energie des Aufschlags eines Tennisprofis auf die Größe eines Protons konzentriert ist – nur äußerst selten auf die Erde. Auf einer Fläche von einem Quadratkilometer wird nur ein Teilchen alle 100 Jahre erwartet. Dadurch, dass die Physiker in der Pampa Einzeldetektoren über ein riesiges, 3.000 Quadratkilometer großes Areal streuen, können pro Jahr immerhin circa 50 Ereignisse bei den allerhöchsten Energien beobachtet werden.

Leuchten am Nachthimmel

Treffen hochenergetische Teilchen der kosmischen Schauer auf einen der Auger-Wassertanks erzeugen diese beim Durchgang einen kurzen Lichtblitz. Dieser schwache Blitz wird mit Hilfe von Photovervielfältigern nachgewiesen. Aus der Stärke der Lichtsignale kann so auf die Intensität der Primärteilchen geschlossen werden. Um die Präzision der Datennahme zu verbessern, haben die Forscher zusätzlich zu den Tanks noch Teleskope in der zivilisationsfernen Hochebene installiert. Mit ihnen wird in den zwei Wochen um den Neumond herum der sternenklare Nachthimmel ausgespäht. Denn ein hochenergetischer Schauer erzeugt beim Eindringen in die Erdatmosphäre Fluoreszenzlicht. Die Beobachtungen in der Atmosphäre werden dann mit den Ergebnissen der Datennahme in den Wassertanks kombiniert. Durch die Redundanz in der Datenerhebung können Irrtümer der jeweiligen Messverfahren reduziert werden.

Ebenso wie der LHC-Teilchenbeschleuniger in der Schweiz, lässt sich auch ein Großforschungsprojekt wie das Pierre-Auger-Observatorium in Argentinien nicht im nationalen Alleingang realisieren. Vielmehr bedarf es der Gelder und Köpfe vieler Länder, um Spitzenforschung auf dem Niveau des physikalischen Erkenntnisinteresses unserer Zeit zu ermöglichen. Deutschland ist an Bau und Forschung von Auger mit vier vom BMBF geförderten Universitäten und zwei Forschungsinstituten beteiligt. Jedes Institut hat sich auf einen eigenen Bereich spezialisiert.

Auswertung der Datenflut

Das neunköpfige Team um Professor Ivor Fleck von der Universität Siegen konzentriert sich in seiner Arbeit auf die Ausleseelektronik in den Wassertanks von Auger. In einer eigens für diese Zwecke angeschafften Klimakammer testen die Siegener, ob die Auslesekarten den Temperaturbedingungen in der Pampa standhalten. Die Elektronik muss sich unter Temperaturen von minus zwanzig Grad Celsius bis plus 70 Grad Celsius bewähren. Diese Untersuchungen werden auch unter Mitwirkung von Studierenden durchgeführt, die dadurch schon während des Studiums Kontakt zur aktuellen Forschung erhalten.

Generell spielt die Beteiligung des Nachwuchses für die Realisierung multinationaler Forschungsprojekte, wie bei Pierre Auger oder beim CERN in der Schweiz, eine sehr große Rolle. Denn nur durch die enge Verzahnung von Forschung und Lehre stehen der Physik überhaupt genügend Mitarbeiter für die Durchführung der arbeitsintensiven wissenschaftlichen Experimente zur Verfügung. So arbeiten zahlenmäßig viel mehr Promovierende und Diplomanden bei Auger als Professoren.

Entsprechend frühzeitig muss sich der Nachwuchs in der Physik internationalisieren und vernetzen. Globale Mobilität wird damit zu einer unabdingbaren Voraussetzung für alle Aktivitäten in der Astroteilchenphysik. Schon in jungen Jahren begibt sich der Nachwuchs auf Dienstreisen, um Arbeitsabläufe mit Kollegen aus der ganzen Welt zu koordinieren. Aber auch auf nationaler Ebene findet ein reger Austausch statt. So hat die Universität Siegen im Februar das erste Treffen aller deutschen Doktoranden und Diplomanden, die am Pierre-Auger-Experiment arbeiten, ausgerichtet.

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Stand: 25.05.2007

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Inhalt des Dossiers

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