Weit über 2.000 Athleten aus 81 Nationen werden an den Olympischen Winterspielen in Vancouver teilnehmen. In vielen der 86 Wettbewerbe sind es aber nicht nur die Leistungen der Sportler, die über Sieg oder Niederlage, Medaille oder „Blech“ entscheiden, sondern auch das Material. Längst ist in Sportarten wie Rodeln, Skeleton, Eisschnelllauf oder Skispringen sogar Hightech Trumpf beim Kampf um die entscheidenden Tausendstel Sekunden oder Zentimeter.
Und auch wer beim Bobfahren ganz vorne dabei sein will, braucht nicht nur Talent und Erfahrung, sondern vor allem einen schnellen Schlitten. Das weiß man natürlich auch in der Schweiz, wo das Bobfahren eine große Tradition besitzt. Deshalb hat man dort alles daran gesetzt, einen neuen Schweizer Bob für Vancouver zu entwickeln, der das „Sieger-Gen“ in sich trägt.
Ein Sieger-Bob für die Schweiz
Alles begann vor ziemlich genau drei Jahren als sich eine Allianz bestehend aus dem Schweizerischen Bobverband (SBSV), Wissenschaftlern der ETH Zürich und Schweizer Industriefirmen bildete. „Wir wollten einen Bob bauen, der schneller ist als die Bobs der Konkurrenz, denn Stillstand bedeutet im Bobsport Rückschritt“, so der SBSV-Präsident Peter J. Schmid.
Das Projekt erhielt den Namen „CITIUS“ in Anlehnung an den Leitspruch der Olympischen Spiele „Citius, altius, fortius“ – schneller, höher, stärker. Im September 2009 – nach Tausenden von Entwicklungsstunden und zahlreichen Tests in Wind- und Eiskanälen – war es dann endlich soweit: Die Entwickler um Christian Reich, ein ehemaliger Bobfahrer und Projektleiter von „CITIUS“, konnten den neuen High-Tech-Schlitten dem Bob-Olympiakader übergeben.
Bremsquellen eliminieren
Rund zwei Dutzend Wissenschaftler der ETH Zürich waren zuvor an der Entwicklung des Rennbobs beteiligt gewesen. Ihre Herausforderung bestand darin, innerhalb der Vorgaben des Internationalen Bobverbandes das Material weiter zu entwickeln und bei Kufen, Aerodynamik, Stabilität und Vibrationen das Optimum herauszuholen. Dazu Professor Ueli Suter von der der ETH Zürich: „Bei einem Fahrzeug ohne Motor, das mit 150 Kilometer pro Stunde eine Eisrinne hinunter saust, alle wichtigen Bremsquellen zu finden, dann zu eliminieren und schließlich für die Athleten doch noch ein sicheres Gerät herzustellen, ist eine komplexe interdisziplinäre Aufgabe.“
Neun Bobs der neuen Art
Die Erkenntnisse aus der Forschung an der ETH Zürich flossen anschließend an Reich und von da in die Werkstätten der spezialisierten Industriefirmen. Herausgekommen sind am Ende insgesamt sechs 2er-Bobs und drei 4er-Bobs des Typs CITIUS, die für den Kampf um Hundertstelsekunden bereitstehen. Die Erwartungen sind hoch: CITIUS soll den Schweizer Bobteams bei den Olympischen Winterspielen zu Edelmetall verhelfen – am besten zu Gold.
Deutsche Forscher halten dagegen
Damit genau das nicht passiert und stattdessen die deutschen Bobfahrer die Nase vorn haben, forschten aber auch Cottbuser Wissenschaftler um Professor Arnold Kühhorn Monate lang an einer technischen Verbesserung des früheren Bobs des mehrfachen Olympiasiegers André Lange. Das Team vom Lehrstuhl Strukturmechanik und Fahrzeugschwingungen der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus (BTU) arbeitete dabei mit dem in Berlin-Adlershof ansässigen Institut für Forschung und Entwicklung von Sportgeräten (FES) zusammen. Zwar wird der frühere Bob von Lange heute im Juniorenbereich eingesetzt, doch die jüngsten Forschungsergebnisse des Lehrstuhls dienten dem FES auch zur Weiterentwicklung der Rennschlitten für die aktuelle Saison – und darüber hinaus.
Schlittschuhe für Anni Friesinger
Kühhorn und seine Mitarbeiter hatten bereits früher erfolgreich an der Verbesserung von anderen Sport-Geräten der FES mitgewirkt: So modellierten sie beispielsweise die Schlittschuhe von Anni Friesinger und feilten an der Optimierung des Bahnrennrades von René Wolf, mit dem dieser dann 2005 tatsächlich Weltmeister wurde.
Auslöser für die aktuelle Zusammenarbeit von BTU und FES war die Kritik am letztjährigen Bob von Lange, der nicht so lief wie gewünscht. Um dies zu ändern, führten die Wissenschaftler eine Vielzahl von experimentellen Schwingungsuntersuchungen am „Lange-Bob“ durch: so zum Beispiel an den Achsen und der Faserverbundverkleidung, um dann das Gesamtsystem zu untersuchen. Ziel war es, das Zeit kostende Abheben der Kufen infolge von Schwingungen zu reduzieren.
Auf der Jagd nach den entscheidenden Tausendstel
Dazu mussten in einem ersten Schritt Stahllegierungen gefunden werden, die sich durch besonders gute Dämpfungseigenschaften auszeichnen. Die Cottbuser Forscher haben zudem an der Optimierung der Schwingungsintensität der Faserverbundverkleidung hinsichtlich der Materialdämpfung gearbeitet. Stellgrößen sind hierbei das Material, die Faserdicke und die Faserorientierung.
Bei den Untersuchungen kamen modernste Technologien und Messverfahren zur Anwendung. Beispielsweise sollten durch das Aufbringen von Bitumklebefolie die Schwingungen minimiert werden – ähnlich wie im Automobilbau, wo diese Folie zur Schallreduktion eingesetzt wird. Ob die Maßnahmen letztlich den gewünschten Erfolg hatten und einen kleinen Beitrag liefern beim Kampf um Gold, wird sich aber erst in Vancouver zeigen.
Stand: 12.02.2010