Liebe ist komplex, auch wissenschaftlich betrachtet. Doch immerhin ist mittlerweile klar, wo das Gefühl der Gefühle herkommt: aus dem Kopf. Nicht etwa aus dem Herzen, so wie es die Poesie häufig annimmt. Tatsächlich kann man Liebe sogar „sehen“. Unterzieht man Verliebte einem Scan im funktionellen Magnetresonanztomografen (fMRT) und präsentiert ihnen Bilder des Partners, leuchten spezielle Hirnregionen auf, wie Forschende im Jahr 2000 erstmals beobachten konnten.
Liebe macht süchtig
Das Bizarre: Dieselben Hirnregionen – die sogenannten „Belohnungszentren“ – leuchten auch bei Drogensüchtigen auf, wenn man ihnen Bilder ihres Suchtmittels zeigt. In beiden Fällen schüttet das Belohnungssystem im Gehirn große Mengen des Glückshormons Dopamin aus. Wir sind auf einmal euphorisch, energiegeladen und gut gelaunt – egal, ob es nun Kokain oder der Anblick des geliebten Partners war, der diese Gefühle ausgelöst hat.
Andersherum könnte man auch sagen: Verliebte sind süchtig nach ihrem Partner. „Und Süchtige, die einen Entzug machen, sind verliebten Menschen nicht unähnlich, die sich nach der Gesellschaft von jemandem sehnen, den sie nicht sehen können“, sagt Katherine Wu von der Harvard University.
Die rosarote Brille gibt es wirklich
Doch neben übermäßiger Aktivität in den Belohnungszentren zeigen die fMRT-Scans verliebter Gehirne auch reduzierte Aktivität in anderen Hirnarealen, darunter dem präfrontalen Cortex und der temporo-parietalen Kreuzung. Ersterer ist für rationales Denken und die Impulskontrolle zuständig, Letztere dafür, andere Menschen sozial einzuschätzen.
Hirnforschern zufolge bestätigen diese Aktivitätsmuster die alltägliche Erfahrung, dass Liebe kopflos und blind macht. Nicht umsonst haben viele Menschen mindestens eine verrückte Sache zu erzählen, die sie mal aus Liebe getan haben. Und auch die berühmte rosarote Brille, mit der wir einen neuen Partner als makellos wahrnehmen, auch wenn unser Umfeld das ganz anders sieht, könnte ihren Ursprung darin haben.
Liebestrank bleibt Fiktion
Doch wenn wir mittlerweile so genau wissen, welche Hormone am Gefühl des Verliebtseins beteiligt sind, könnten wir diese Hormone dann nicht einfach in einem Liebestrank zusammenmischen und Menschen damit quasi wahllos verkuppeln? Theoretisch wäre es wahrscheinlich möglich, das Gefühl des Verliebtseins künstlich nachzuahmen, sagen Hirnforscher. Menschen, die einen solchen Liebestrank aus Adrenalin und Dopamin zu sich nähmen, wären vermutlich ähnlich energiegeladen und kopflos wie jemand frisch Verliebtes, doch dieses Gefühl würde eher für sich stehen als sich auf eine konkrete Person zu beziehen. Wir wären zwar verliebt, aber nicht in jemanden.
Denn während die Mechanismen, die uns Liebe fühlen lassen, grundsätzlich biochemischer Natur sind, steht die konkrete Partnerwahl nochmal auf einem ganz anderen Blatt. Sie ist unter anderem abhängig von Aussehen, Charakter und Geruch des Gegenübers. Letzterer verrät uns unterbewusst mehr über die genetische Kompatibilität mit einer anderen Person, was insbesondere dann relevant wird, wenn wir mit ihr Kinder zeugen wollen.
Warum verlieben wir uns?
Kinder zeugen ist an dieser Stelle ein gutes Stichwort, denn zumindest die Sparte der evolutionären Psychologie geht davon aus, dass Liebe ein Trick von Mutter Natur ist, damit wir uns fortpflanzen und so das Überleben unserer Spezies sichern. Sie bringt uns nicht nur zu dem Akt an sich, sondern sorgt auch dafür, dass die Eltern nach der Zeugung des Nachwuchses zusammenbleiben und das Kind gemeinsam großziehen. Denn anders als der Nachwuchs anderer Spezies sind wir sehr lange auf elterliche Fürsorge angewiesen und die lässt sich am besten zu Zweit leisten.
Trotzdem gibt es genauso gut Paare, die sich bewusst gegen Kinder entscheiden. Oder die bis ins hohe Alter zusammenbleiben, auch wenn die Aufgabe der Kindererziehung längst abgehakt ist. Solche langfristigen Formen der Liebe lassen sich nicht allein mit den turbulenten Hormonen frisch Verliebter ergründen.