„Wir kennen eine ganze Reihe von Gehirnregionen, die bei auffällig antisozialem oder gewaltbereitem Verhalten eine Rolle spielen“, sagt Hans Markowitsch von der Universität Bielefeld. Allerdings: Bis auf einige Sonderfälle, wie etwa dem pädophilen Familienvater, dem ein Tumor aufs Stirnhirn drückte, sagt ein Bild des Täterhirns für die Rechtslage aber erstmal gar nichts. „Man kennt bislang keine Muster, nach denen man Gehirne in Sachen Schuldfähigkeit beurteilen könnte“, sagt Grischa Merkel, Rechtswissenschaftlerin an der Universität Greifswald. „Zudem ist jedes Gehirn einzigartig – man kann es nur bedingt mit anderen vergleichen.“
Skepsis ist nach Ansicht der Forscherin auch in Sachen Lügendetektion per fMRT geboten. Zwar zeigt mittlerweile eine ganze Reihe von Studien, dass beim Lügen bestimmte Gehirnbereiche wie das anteriore Cingulum und Teile des Frontalhirns auffallend aktiv sind. Der Grund: Das Lügen koste das Gehirn zusätzliche Energie und das mache sich im fMRT bemerkbar, folgert etwa der US-Forscher Daniel Langleben von der University of Pennsylvania. Doch handelt es sich bei den bunten Hirnbildern des fMRT-Lügendetektors nur um Tendenzen. DIe vermeintlich typischen Signaturen wurden auf der Basis von Probandengruppen ermittelt, verlässliche Rückschlüsse auf den Einzelnen lassen sie nach Ansicht der Wissenschaftler daher nicht zu.
Zudem weisen diese Studien häufig methodische Fehler auf: „Langleben und Kollegen gehen davon aus, dass die ehrliche Antwort dem Grundzustand des Gehirns entspricht“, kritisiert Stephan Schleim, Kognitionswissenschaftler an der Universität Groningen. „Lüge würde demnach vor allem in der Unterdrückung der Wahrheit und verstärkter Kontrolle der Antwort bestehen.“ Das aber müsse keineswegs so sein. Außerdem bezweifelt er, ob die Studienergebnisse der Realität wirklich standhalten können: Schließlich wurden die Probanden zum Lügen aufgefordert – normalerweise ist eher das Gegenteil der Fall.
Stefanie Reinberger / dasgehirn.info – ein Projekt der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung, der Neurowissenschaftlichen Gesellschaft e. V. in Zusammenar
Stand: 08.06.2012