Bambus ist eine Meisterleistung der Natur, das Gras enthält Fasern, die zugfest sind wie Stahl. Mit etwas Unterstützung aus dem Labor hat Bambus daher das Potenzial zum Baustoff der Zukunft.
Bambus: Enorm stabil, aber…
Städte in Entwicklungs- und Schwellenländern wie Malaysia und Indonesien wachsen besonders schnell. Für den Aufbau werden jährlich Unmengen an Stahl benötigt, der aber nicht vor Ort produziert wird. Also muss er importiert werden. Doch dies ist weder besonders ökologisch noch ökonomisch. Forscher um Dirk Hebel von der ETH Zürich und die Empa-Forscher Mateusz Wielopolski und Sébastien Josset suchten daher nach einer Alternative.
Und fanden sie: In Bambus, einem Gras mit der Zugfestigkeit von Baustahl, aber einem sechsmal geringeren Gewicht. Noch dazu ist es besonders nachhaltig, denn es wächst in den Tropen. Schon länger weiß man, dass die hohlen Halme von Gräsern schier unglaubliche Kräfte aushalten. Doch als Baumaterial nutzen konnte man Bambus bislang trotzdem nicht. Bereits in den 1960er Jahren haben Forscher versucht, Armierungs-Eisen durch Bambus zu ersetzen. Aber die Stäbe saugten so viel Wasser auf, dass sie beim Aufquellen den Beton sprengten.
Spezialharz schützt vor dem Aufquellen
Jetzt jedoch haben Schweizer Forscher ein raffiniertes Verfahren entwickelt, das dieses Aufquellen verhindert. Dabei nutzen sie Bambus nicht einfach so, wie er gewachsen ist. „Wir schneiden Bambus auseinander und kleben ihn wieder zusammen“, erklärt Wielopolski. Der Kleber ist ein eigens entwickeltes Harz, das Holz Wasser abstoßend macht.
Bambus als Armierung eröffnet in der Architektur ganz neue Möglichkeiten. „Da das Material sechsmal leichter als Stahl ist, könnte man damit viel höher bauen“, so Wielopolski. Es könnte nicht nur Stahl ersetzen, sondern lässt sich anstelle von Carbon-, Glas- oder anderen Holzfasern auch in Verbundwerkstoffen einsetzen.
Eigentlich hätte Wielopolski keinen neuen Klebstoff entwickeln müssen. Denn es gibt bereits sehr gute Harze auf dem Markt, die beispielsweise in der Auto- und der Flugzeugindustrie eingesetzt werden. „Doch wir wollten nicht solche High-Performance-Kleber benutzen, da sie viel zu teuer sind“, sagt Wielopolski, „die kann sich kein Entwicklungsland leisten.“ Denn Kostentreiber ist nicht der Bambus, sondern das Harz. Darum reduzierte er dessen Anteil auf ein Minimum und erhielt so auch die Nachhaltigkeit.
Kleber aus Pflanzenöl
Zusätzlich stammt der neue Kleber aus erneuerbaren Rohstoffen, genau gesagt aus Pflanzenöl. „Natürlich ist das nicht Olivenöl Extra Vergine“, sagt Wielopolski mit einem Lächeln, „wir verwenden dafür Pflanzenabfälle.“ Aus diesen gewinnt er das Öl und, über eine chemische Umwandlung, das Harz. Dieses macht das Holz nicht nur wasserfest, sondern auch formbar – optimal für ein breites Anwendungsspektrum.
Noch wird es aber etwas dauern, bis ein Hochhaus aus Bambus entsteht. Zunächst startet Wielopolski mit kleineren Anwendungen, mit einem Terrassenboden und mit Gartenmöbeln. Damit testet er die Witterungsbeständigkeit unter Realbedingungen. Sobald das Material diese Hürde bestanden hat, wird bald einmal Bambus als Armierung ein Thema sein. „Doch es ist ein langer Weg, wenn wir künftig etablierte Werkstoffe aus der Bauindustrie ersetzen möchten“ sagt der Forscher.
Amanda Arroyo / Empa
Stand: 29.04.2016