Die Wissenschaftler in Schottland sind schon einen Schritt weiter als ihre Kollegen in Israel und Norwegen. Auf der sturmgepeitschten Hebriden-Insel Islay ging Ende letzten Jahres nach zwei Jahren Bauzeit ein erstes kommerzielles Wellenkraftwerk mit einer Leistung von 500 KW in Betrieb.
Durch dieses von der EU über den Joule-Topf für erneuerbare Energien mitfinanzierte Projekt werden mittlerweile immerhin mehr als 400 Familien mit sauberem Strom versorgt – und das bei einem vertretbaren Preis von knapp 20 Pfennig pro Kilowattstunde.
Das revolutionäre Wellenkraftwerk basiert auf den Ergebnissen des Forschungsprojekts „LIMPET“ (Locally Installed Marine Power Energy Transformer oder Land installierte Meereskraftumwandler), das speziell für die Verwendung an Felsküsten ausgelegt ist. Das dabei verwendete „Patent“ zur Energiegewinnung ist genauso simpel wie genial.
Zunächst wird eine mehr oder minder große Höhle in die Felsküste hineingesprengt und mit einem massiven Beton- oder Stahldach luftdicht verschlossen. Deutlich unterhalb des normalen Meeresspiegels öffnet sich der Hohlraum Richtung Ozean – die Wellen, der Herzschlag des Meeres, können ungehindert ein- und ausströmen. Nach dem Prinzip der schwingenden Wassersäule wird durch die Wellenberge, die Luft in dem Raum komprimiert und in eine andere Kammer, die mit zwei Turbinen bestückt ist, gedrückt. Es entsteht einer starker Luftstrom, der die Turbinen antreibt – Limpet produziert Strom.
Das Erstaunlichste an der ganzen Sache: Die Energieerzeugung geht auch dann weiter, wenn durch die Druckentlastung während des folgenden Wellentals die Luft wieder abgesaugt wird. Grundvoraussetzung dafür ist eine neuartige Turbine, die man nach ihrem Erfinder Wells-Turbine nennt. Diese dreht sich immer in die gleiche Richtung, egal woher die Luft auch kommt.
Noch aber ist Limpet nicht geeignet, um Tag für Tag eine konstante Menge an Strom in das Netz einzuspeisen. Bleiben Wind und damit der Wellengang aus, stehen auch die Turbinen still. Andere Kraftwerke müssen dann einspringen und den Energiehunger der Bevölkerung auf Islay befriedigen.
Natürlich soll Limpet 1 kein Einzelfall bleiben – so hofft zumindest die Produktionsfirma Wavegen. Allan Thompson, Chef und Vordenker der Männer aus dem schottischen Städtchen Inverness hofft, dass an vielen Orten der Welt Wellenkraftwerke nach diesem Vorbild entstehen. Ja, er hält es sogar für möglich, weiter entwickelte LIMPET-Anlagen in normalen Wellenbrechern oder Hafenmauern zu installieren.
Auch was die Haltbarkeit ihrer Anlage betrifft, sind die Macher um ihren rührigen Boss mehr als optimistisch. 60 Betriebsjahre soll die LIMPET-Anlage ohne größere Probleme auf jedem Fall durchhalten, die Turbinen immerhin noch 15.
Die Einwohner von Islay aber, die dieses Wellenkraft-Projekt maßgeblich selbst initiiert haben, planen in Zukunft noch Größeres, Revolutionäreres auf ihrer Insel: Das bisher in erster Linie durch seine sechs Malz-Whiskydestillerien berühmt oder berüchtigte Eiland, will sich bald ausschließlich über erneuerbare Energien mit Strom versorgen. Neben dem Wellenkraftwerk ist deshalb noch ein umfangreicher Windpark geplant und auch die bei der Whiskyproduktion frei werdende Wärme soll in Zukunft wiederverwendet werden.
Kein Wunder, dass mittlerweile sogar die Umweltorganisation Greenpeace auf das Projekt aufmerksam geworden ist und die Inselbewohner nach Kräften bei ihrem Vorhaben unterstützt.
Stand: 14.05.2001