Die Idee, Wasserstoff als Energielieferant zu nutzen, ist nicht neu: Schon 1874 beschrieb Jules Verne in seinem Roman „Die geheimnisvolle Insel“ eine solche Vision für die Welt der Zukunft: „Wasserstoff und Sauerstoff, aus dem Wasser besteht , werden einzeln oder zusammen eine unerschöpfliche Quelle von Wärme und Licht sein – und dies mit einer Intensität, zu der Kohle nicht fähig ist.“
Allgegenwärtig und vielseitig einsetzbar
Der Schriftsteller lag damit keineswegs falsch: Wasserstoff ist nicht nur das häufigste Element im Universum – er hat auch eine deutlich höhere Energiedichte als gängige fossile Brennstoffe und ist noch dazu vielseitig einsetzbar. So kann man Wasserstoffgas direkt verbrennen und damit Hitze erzeugen oder Fahrzeuge antreiben. Das Gas lässt sich aber auch zur Gewinnung von Strom nutzen, als Energiespeicher oder als Ausgangsstoff für eine Vielzahl anderer energiereicher Verbindungen und Kraftstoffe.
Der entscheidende Vorteil dabei: Im Gegensatz zu fossilen Brennstoffen ist Wasserstoff eine nahezu unbegrenzt verfügbare Ressource. Er kann aus Wasser, aber auch vielen weiteren chemischen Ausgangsstoffen gewonnen werden – und das nahezu überall auf der Welt. Wird das Gas verbrannt, setzt es statt klimaschädlichen Kohlendioxids oder anderer Treibhausgase nur Wasserdampf frei. „Die Welt sollte daher die einzigartige Chance nicht verpassen, Wasserstoff zu einem wichtigen Teil unserer sauberen und sicheren Energiezukunft zu machen“, konstatiert Fatih Birol, Exekutivdirektor der Internationalen Energieagentur (IEA).
Wasserstoff-Hype – mit wenig Folgen
Tatsächlich sah es schon mehrfach so aus, als könnte diese Zukunftsvision in greifbare Nähe rücken und der Beginn der Wasserstoff-Ära unmittelbar bevorstehen. Einen ersten Anlauf dazu machten Wissenschaft und Politik in den 1970er Jahren während der weltweiten Ölkrise. Weil das Erdöl immer teurer wurde, suchten die USA und andere Industrieländer nach einer Alternative zu Benzin, Diesel und Co. – und kamen auf den Wasserstoff. Es wurden zahlreiche Projekte initiiert, die die Produktion und den praktischen Einsatz dieses Gases vorantreiben sollten. Doch als die Ölkrise endete und das Erdöl wieder reichlich und günstig zur Verfügung stand, blieb die weitere finanzielle Förderung aus.
Einen weiteren Anlauf machten die USA Anfang der 2000er Jahre. Der damalige US-Präsident George W. Bush wollte sein Land aus politischen Gründen unabhängiger von den erdölproduzierenden Ländern im Nahen Osten machen. Denn nach dem 9. September 2001 galten viele von ihnen als „Achse des Bösen“ und Brutstätten islamistischen Terrors. Bush lancierte daher 2003 eine 1,2 Milliarden US-Dollar schwere Initiative, durch die Wasserstoff als Kraftstoff für Fahrzeuge nutzbar gemacht werden sollte.
„Das erste Auto, das ein heute geborenes Kind einst fahren wird, könnte von Wasserstoff angetrieben und emissionsfrei sein“, erklärte Bush damals. Doch auch dieser Schub für den Wasserstoff verpuffte: Einige Jahre später verlagerte sich der Schwerpunkt der Förderung auf Biokraftstoffe und akkubetriebene Elektroautos. Wasserstoffforscher und ihre Projekte hatten das Nachsehen.
„Zyklen exzessiver Erwartungen gefolgt von Desillusion
„Wasserstofftechnologien haben immer wieder Zyklen exzessiver Erwartungen gefolgt von Desillusion durchlaufen“, erklären Ian Staffell vom Imperial College London und seine Kollegen in einer kürzlich erschienenen Studie. Sie bezeichnen die 2000er Jahre wegen der stagnierenden Wasserstoffforschung sogar als „verlorene Dekade“.
Doch inzwischen sieht es so aus, als könnte der Wasserstoff erneut einen Aufschwung erleben – und diesmal möglicherweise einen bleibenden: „Wasserstoff hat noch nie eine so internationale und sektorenübergreifende Aufmerksamkeit erhalten wie jetzt – selbst im Vergleich zu den beeindruckenden Fortschritten in anderen Low-Carbon-Energietechnologie wie Batterien oder Erneuerbaren“, schreibt die IEA in ihrem aktuellen Bericht „The Future of Hydrogen“.
Doch was ist dran am aktuellen Boom?