Anfang des 20. Jahrhunderts haben Astronomen bereits zahlreiche „Spiralnebel“ entdeckt und kartiert. Doch worum es sich bei diesen leuchtenden kosmischen Gebilden handelte und wie weit sie von uns entfernt sind, wusste damals noch niemand. Die entscheidende Information liefert erst der junge US-Astronom Edwin Hubble.
Ein stellarer Glücksfall
Hubble arbeitet seit 1919 am Mount Wilson Observatory in Kalifornien, um endlich die drängendste astronomische Frage seiner Zeit zu klären: die Natur der Spiralnebel. Die Mehrheit der Astronomen hält diese Nebel für Objekte innerhalb der Milchstraße, der einzigen Galaxie im Universum, wie man damals glaubt. Hubble möchte durch genaue Messungen und Beobachtungen herausfinden, wie weit die rätselhaften Spiralnebel vom Sonnensystem entfernt sind. Dafür nimmt er als erstes das Objekt ins Auge, mit dem auch sein Kollege Vesto Slipher begonnen hat: den Andromedanebel M31.
Am 7. Oktober 1923 kommt Hubble ein Glücksfall zu Hilfe: Beim Vergleich verschiedener Fotografien dieses Nebels stößt er auf einen hellen Lichtpunkt, der seine Helligkeit regelmäßig ändert – einen Cepheiden-Stern. Diese veränderlichen Sterne haben eine Besonderheit, wie bereits kurz zuvor die Astronomin Henrietta Leavitt entdeckt hat: Je heller der Stern ist, desto langsamer ist der Takt seiner Helligkeitsschwankungen.
Damit eignen sich die Cepheiden hervorragend als astronomische „Messlatten“ für die Entfernungsbestimmung im All. Denn die Helligkeit eines Sterns nimmt zwar mit der Distanz ab, das regelmäßige Pulsieren des Cepheiden verrät aber unabhängig davon, wie hell er wirklich ist. Setzt man beides in Beziehung, lässt sich daraus ermitteln, wie weit entfernt der Stern ist.
Die Milchstraße ist nicht allein
Genau das tut Hubble nun mit seinem in Andromeda entdeckten Stern – und kommt auf einen sensationellen Wert: Seinen Berechnungen nach muss dieser Cepheide rund 900.000 Lichtjahre entfernt sein. Das aber bedeutet, dass auch der Andromedanebel weit außerhalb der nur rund 100.000 Lichtjahre großen Milchstraße liegen muss.
Mit seiner Entdeckung einer weiteren Galaxie jenseits der Milchstraße sorgt Hubble für eine Sensation. Mit einem Schlag hat sich damit das bekannte Universum enorm vergrößert: Jeder Spiralnebel ist nicht bloß eine galaktische Gaswolke, sondern ein ganzes Sternsystem außerhalb unserer Heimatgalaxie, ein „Insel-Universum“. „Wir müssen annehmen, dass die Schöpfung sich weit über die Grenzen der stärksten bisher gebauten Teleskope hinaus erstreckt“, sagt der Astronom später in einem Vortrag. „Die Geschichte des Universums ist eine Geschichte der sich erweiternden Horizonte.“
Plötzlich ist das nahe, vermeintlich gut bekannte kosmische Umfeld zu einer gigantisch großen, unbekannten Weite mutiert. „Selbst wenn Hubble nichts weiter getan hätte als nachzuweisen, dass die Milchstraße nicht das gesamte Universum ausmacht, hätte er bereits einen Platz unter den wichtigsten Astronomen der Geschichte“, kommentiert der Astronom Robert Kirshner vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics.
Rasende Galaxien und eine Konstante
Doch Hubbles Beobachtungen sollen der Kosmologie ein noch bedeutenderes Aha-Erlebnis bescheren. Durch seine erste Entdeckung neugierig geworden, beginnt der Astronom nun, auch für andere Spiralnebel die Rotverschiebung und ihre Entfernung zu ermitteln. Anschließend sortiert er die Galaxien nach Entfernung, Größe, Form und Helligkeit. Dabei fällt ihm ein Zusammenhang auf: Je weiter die Galaxien entfernt sind, desto höher liegt ihre Rotverschiebung. Die fernen Sternansammlungen entfernen sich demnach deutlich schneller von uns als die nahen.
Hubble stellt nun die „Flucht-Geschwindigkeit“ dieser Galaxien gegen ihre Entfernung in einem Diagramm dar und entdeckt dabei eine lineare Korrelation – die Beziehung von Rotverschiebung und Entfernung lässt sich durch eine Konstante beschreiben. Der Astronom ermittelt für diese Konstante einen Wert von rund 500 Kilometer pro Sekunde und Megaparsec – wie man heute weiß, lag Hubble damit deutlich zu hoch.
Dennoch sind diese Erkenntnisse revolutionär. 1929 veröffentlicht Hubble seine Erkenntnisse und markiert damit einen Wendepunkt in unserem Verständnis des Universums. Denn seine Daten belegen erstmals eine fundamentale Eigenschaft des Kosmos: Er dehnt sich aus.