Mauern, Tore, Schießanlagen: Wie eine Festung besitzt jeder Organismus schützende Hüllen und Abwehrmechanismen, unter anderem, um sich gegen eindringende Krankheitserreger zu Wehr zu setzen. Beispiele dafür sind Haut und Schleimhäute. Gleichzeitig sorgen von Zellen errichtete Barrieren im Körperinneren für Ordnung – grenzen beispielsweise verschiedene Gewebe und Organe voneinander ab – und geben Halt.
Dieses Prinzip setzt sich bis ins Kleinste fort. Jede einzelne Zelle ist umgeben von einer Hüllschicht, der Zellmembran. Sogar in ihrem Inneren enthält die Zelle Membranen, die den Zellkern und andere organähnliche Strukturen umschließen. Neben physikalischen Barrieren gibt es im Körper auch physiologische Hürden, beispielsweise die Immunabwehr oder die Magensäure, die viele Erreger abtötet. Körpereigene Zellen können Barrieren, die von anderen Zellen gebildet werden, häufig überwinden – sie besitzen Schlüssel, um Türen zu öffnen.
„Zellpolizei“ auf Patrouille
Zu den Zellen, die im ausgewachsenen Organismus am mobilsten sind, gehören Immunzellen. Davon gibt es zahlreiche Varianten, die Krankheitserreger aufspüren und bekämpfen und dabei zum Teil lange Wanderungen im Körper unternehmen. Verschiedene Typen von Leukozyten – weißen Blutkörperchen – zirkulieren beispielsweise im Blutstrom. Sie lassen sich treiben und tasten dabei die Oberflächen feiner Blutgefäße von innen ab. Dazu besitzen sie spezielle Fortsätze, die wie Seestern-Arme auf der Zelloberfläche sitzen.
Durch das Abtasten der Blutgefäß-Wände, welche aus sogenannten Endothelzellen bestehen, erhalten die Leukozyten Informationen über den Gesundheitszustand des Körpers: Bei einer Entzündung im Gewebe produzieren die Wandzellen der in der Nähe liegenden Blutgefäße ein „Stopp-Signal“. Sie präsentieren dazu bestimmte Moleküle auf ihrer Oberfläche, wo sie von den vorbeischwimmenden Leukozyten „ertastet“ werden. Das Stopp-Signal löst eine Verwandlung aus.
Durch die Gefäßwand
Von dem Moment an, an dem sie das Signal wahrnehmen, verändert sich das Verhalten der Leukozyten. Die Immunzellen beginnen, über die Oberfläche der Gefäßwandzellen hinweg zu rollen. Dabei bilden sie Haftkontakte aus und rollen immer langsamer, bis sie schließlich zum Stillstand kommen. Der Verwandlungsprozess geht weiter: Die Leukozyten werden flacher und beginnen, amöbenartig auf den Endothelzellen zu kriechen und die Grenzen zwischen den Zellen zu ertasten. Dort schieben sie sich hindurch.
Forscher vermuten, dass die weißen Blutkörperchen dabei Signale der Endothelzellen imitieren und – wie mit einem Schlüssel – die Proteinverbindungen, welche die Zellen miteinander verbinden, kurzfristig lösen. Diese „Tür“ bleibt anderen Zellen, beispielsweise roten Blutkörperchen, normalerweise verschlossen – es sei denn, durch eine Verletzung entsteht eine Lücke zwischen den Zellen.
wissen|leben – Die Zeitung der WWU Münster; 2015/Nr. 2, 8. April
Stand: 17.04.2015