Schon 1798 hat der Historiker und Ökonom Thomas Robert Malthus Katastrophen für den Fall vorhergesagt, daß das exponentielle Bevölkerungswachstum (2,4,8…) nicht gebremst würde. Er glaubte, die Nahrungsmittelproduktion ließe sich nur arithmetisch (1,2,3…) vermehren, und könne mit dem enormen Wachstum nicht Schritt halten. Deshalb plädierte er bereits damals für Geburtenkontrolle, damit nicht das große Verhungern das Wachstum begrenze…
Die Malthussche Katastrophe ist bislang nicht eingetreten. Das Gegenteil ist sogar der Fall: Durch die Grüne Revolution, den Einsatz von Maschinen, Hochertragssorten und Pestiziden ist ein gewaltiger Produktivitätsfortschritt möglich gewesen, der die pessimistische Annahme von Malthus widerlegte. Zwischen 1950 und 1990 hat sich die Weltbevölkerung zwar verdoppelt, die Nahrungsmittelproduktion jedoch verdreifacht. Bei knappen Nahrungsmitteln müßten schließlich auch die Preise ansteigen. In den letzten zehn Jahren haben sich dies Getreidepreise jedoch kaum verändert. Warum also gibt es Hunger auf der Welt?
Das Problem besteht zum einen darin, daß sich die Nahrungsmittelproduktion pro Kopf regional unterschiedlich entwickelt hat. In vielen Ländern Afrikas stagniert oder sinkt die pro Kopf – Produktion seit einiger Zeit. Zum anderen spiegelt die Marktnachfrage nicht die tatsächliche Situation wider. Viele arme Menschen können mangels Kaufkraft keine Nahrungsmittel erwerben. In den Entwicklungsländern steigt auch erstmals seit den 80er Jahren die Zahl der Hungernden wieder an – bei gleichzeitig steigender Bevölkerungszahl. Rund 830 Millionen Menschen sind nach Angaben der FAO derzeit weltweit unterernährt. Rückschritte bei der Versorgung werden dabei vor allem aus Afrika und Südasien gemeldet.
In den Industrieländern ist das Nahrungsangebot hingegen so gut wie nie. Von der FAO wird für eine ausreichende Ernährung 2200 kcal Nahrungsmittel pro Person und Tag empfohlen. In den Industrieländern liegt dieser Wert bei 3340 kcal, und damit deutlich über dem weltweiten Durchschnitt von 2720 kcal.
In vielen Entwicklungsländern ist es heute schon schwierig, die Nahrungsmittelerzeugung der wachsenden Bevölkerung anzupassen. Das leicht kultivierbare Land ist nahezu ausgeschöpft. Deshalb werden auch ökologisch labile Zonen wie die Sahelzone landwirtschaftlich übernutzt. Desertifikation und Erosion sowie eine Verringerung der Bodenfruchtbarkeit sind die direkten Folgen. Viele afrikanische Länder südlich der Sahara nutzen bereits einen großen Teil des kultivierbaren Landes. Aber genau hier wird die Bevölkerung noch stark wachsen. Länder wie Ruanda, Burundi, Kenia, Uganda und Somalia stehen vor erheblichen Problemen. Ähnliches gilt auch für Südasien und den mittleren Osten.
Die möglichen Folgen der Klimaerwärmung auf die Nahrungsmittelproduktion macht Wissenschaftlern ebenfalls Sorgen: Werden die Auswirkungen der globalen Erwärmung berücksichtigt, könnte nach UN-Prognosen die Zahl der von Hunger bedrohten Menschen im Jahr 2060 statt 640 Millionen Menschen 823 Millionen betragen.
Zudem muß der Boden oftmals anderen Nutzungen wie z.B. Straßen , Wohnhäusern und Fabriken weichen. In dichtbesiedelten Ländern wie China, Ägypten und Bangladesch sinkt die absolute landwirtschaftlich genutzte Fläche aufgrund solcher Nutzungskonkurrenzen gegenwärtig bereits. Bei zunehmender weltweiten Verstädterung – zum Jahr 2000 werden knapp die Hälfte aller Menschen in Städten leben – wird sich dieses Problem in vielen Ländern noch verstärken.
Die Schätzungen der Vereinten Nationen zeigen ein düsteres Bild: Die Nahrungsmittelerzeugung muß bis zum Jahr 2030 um 75 Prozent gesteigert werden, wenn die wachsende Weltbevölkerung satt werden will. Ob das gelingen wird, ist bislang noch nicht abzusehen. Genauso wenig wie die Fortschritte gegen Armut und Ungerechtigkeit, die die eigentlichen Ursachen des Hungers sind.
Stand: 21.11.2001