Im Hochmoor leuchten die Torfmoorpolster in satten Grün- oder Rotbrauntönen. Wenn man ein Pflänzchen aus dieser feuchten Atmosphäre und aus seinem Pflanzenverband herausnimmt, fällt das Moospolster ein wenig in sich zusammen. Kaum vorzustellen, dass dieses recht zarte und unscheinbare Moos seit der Eiszeit der eigentliche Baumeister der Hochmoore auf der Nordhalbkugel gewesen ist und die Lebensbedingungen hier überhaupt erst geschaffen hat.
Ionenaustausch liefert Nährstoffe
Von allen Pflanzen hat sich keine Gattung in einem so starkem Maß an die Nährstoffarmut des Untergrundes angepasst. Torfmoose oder auch Sphagnen sind in der Lage, ihren Mineralstoffhaushalt ausschließlich aus dem Regenwasser zu decken. Hierzu haben sie eine Fähigkeit entwickelt, die ihnen zugleich Nährstoffe verschafft und Konkurrenten sehr effektiv unterdrückt – die Fähigkeit zum Ionenaustausch.
Jedes Kalium-, Kalzium- oder Magnesium-Ion, dass mit dem Regenwasser auf die Körperoberfläche des Mooses gelangt, wird von der Pflanze im Austausch gegen ein Proton aufgenommen. Die an das Regenwasser abgegebenen Protonen versauern das umgebende Medium in beträchtlichem Maß. Während Regenwasser normalerweise einen pH-Wert von rund 6 aufweist, senken die Sphagnen den des Moorwassers auf Werte um pH 4 ab. In diesem lebensfeindlichen Milieu haben nicht nur Fische wenig Chancen dauerhaft zu überleben – das zarte Epithel ihrer Kiemen würde verätzt. Auch für höhere Pflanzen wird es zunehmend schwerer, hier zu wachsen.
Wasserspeicherkapazität
Das Torfmoos hat eine enorme Wasserspeicherkapazität. In ihrem Zellgewebe kann die Pflanze das bis zu dreissigfachen ihres Eigengewichts an Wasser aufnehmen. Zwischen den photosynthetisch aktiven Zellen gibt es große, vollkommen leere Zellhüllen mit spangenartigen Wandversteifungen, die durch runde Öffnungen mit der Aussenwelt verbunden sind. Über diesen Weg nehmen die Speicher- oder "Hyalinzellen" Wasser auf – das Sphagnumblättchen saugt sich voll wie ein Schwamm.
Auch im abgestorbenen Torf bleibt diese Speicherfunktion erhalten. Sie ist der Grund dafür, dass das Moor so ein beträchtliches Wasserreservoir ist, das das Klima ihrer Umgebung entscheidend prägt. Das Moos ist die Ursache der gefürchteten Moornebel und der Unbetretbarkeit des Geländes. Der Grundwasserspiegel im Hochmoor kann durch die Hubkraft unzähliger Sphagnen bis zu zehn Meter über dem der Umgebung liegen! Und die Staunässe im Wurzelbereich macht der Konkurrenz ebenfalls das Leben schwerer.
Konkurrenz- und wurzellos
Eine weitere Eigenschaft der Sphagnen unterdrückt die zarten Wachstumsversuche höherer Pflanzen vollständig. Im Gegensatz zu den meisten Pflanzen, die zumindest in der Wurzel ungünstige Lebensbedingungen überdauern, besitzt Sphagnum keine Wurzeln. Das Pflänzchen stirbt nach unten ab und wächst permanent nach oben, je nach Moor bis annähernd 19 mm pro Jahr. Die Wurzeln der Konkurrenz werden einfach überwachsen. Da der dichte Filz des Moospolsters durch seine Wassersättigung aber bereits wenige Millimeter unter der wachsenden Oberfläche keinen Sauerstoff mehr an die Wurzeln lässt, erstickt das Moospolster langsam aber stetig die anderen Pflanzen.
Nur wenige haben Strategien entwickelt, um diesem Druck standzuhalten. Der Sonnentau hält im Wachstum mit dem Moospolster Schritt, die Bäume der Randbereiche bilden sogenannte Brettwurzeln aus. Durch verstärktes Dickenwachstum an der Oberseite gelingt es ihnen eine Weile, mit dem Mooswachstum Schritt zu halten. In den zentralen Bereichen des Hochmoors indes sind die Torfmoose die uneingeschränkten Herrscher. Allerdings, nur solange sie wachsen…
Stand: 13.10.2006