Ob schwer heilende Wunden, starke Blutungen oder chirurgische Nähte an inneren Organen: Wenn es um den schnellen und sicheren Verschluss solcher offenen Verletzungen geht, gewinnen Hydrogele in der Medizin immer mehr an Bedeutung. Denn sie sind flexibel und anpassungsfähig genug, um Wunden dicht abzuschließen. Zudem vernetzen sich diese Materialien so eng mit dem Gewebe, dass sie selbst bei mechanischer Belastung sicher haften.
Halt selbst bei mechanischer Belastung
Eine Anwendung der Hydrogele sind Wunden und Nähte an sich bewegenden Organen wie der Lunge oder dem Herzen. Diese dehnen sich regelmäßig aus oder kontrahieren und entspannen. Nähte an diesen Organen sind daher starken mechanischen Belastungen ausgesetzt. In der Chirurgie werden daher zusätzlich zu herkömmlichen Fäden oder Klammern auch Gewebekleber eingesetzt – und meist bestehen sie aus einem Hydrogel.
Einer dieser Nahtkleber beruht auf einem körpereigenen Protein, dem Elastin. Das Molekül gehört zu den sogenannten Strukturproteinen und sorgt unter anderem für die Dehnungsfähigkeit unserer Haut, der Lunge und großer Blutgefäße wie der Aorta. Für den Kleber wird Tropoelastin, ein Vorläufer von Elastin, mit einem Molekül namens Methacrylsäureanhydrid kombiniert.
Wird diese Kombination auf eine Naht aufgetragen und dann mit UV-Licht bestrahlt, polymerisiert die Mischung zu einem hochelastischen, fest mit dem Gewebe verbundenen Hydrogel. In ersten Tests unter anderem an Schweinen hielt dieser Kleber bei schweren Lungenschäden besser als zuvor gängige Versiegelungen. Das gehärtete Hydrogel blieb solange auf der Wunde kleben, bis der Heilungsprozess abgeschlossen war. Anschließend zerfiel der Stoff langsam – ohne giftige Rückstände zu hinterlassen.
Wundschluss am schlagenden Herzen
Ebenfalls mit UV-Licht wird ein weiterer Nahtkleber polymerisiert, der für einen besonders schnellen Wundverschluss sorgen soll. Der 2019 vorgestellte Kleber ist nach dem Vorbild der extrazellulären Matrix aufgebaut. Diese starke und gleichzeitig elastische „Füllmasse“ zwischen den Zellen der Haut oder des Bindegewebes besteht unter anderem Kollagen, Hyaluronsäure und Wasser. Das auf ihrem Vorbild beruhende Hydrogel nutzt eine spezielle Form der Gelatine (GelMA) sowie mit Butanamiden verbundene Hyaluronsäure (HA-NB).
In Tests hat sich dieser Hydrogel-Kleber schon bewährt: Mit ihm konnten chinesische Forscher Verletzungen am schlagenden Herzen von Schweinen in nur 20 Sekunden verschließen und Blutungen stoppen. Ein zusätzliches Vernähen war nicht nötig. Die behandelten Wunden waren zudem auch zwei Wochen nach der Operation noch optimal versiegelt, wie die Wissenschaftler berichten.
Resistent gegenüber ätzenden Säften
Eine besondere Herausforderung in der Chirurgie sind Nähte im Verdauungstrakt. Sie müssen unbedingt so dicht abschließen, dass keine keimbelasteten Sekrete aus dem Innern des Darms in die Bauchhöhle dringen könne, sonst drohen lebensgefährliche Infektionen. Gleichzeitig muss die Naht erheblichen mechanischen Belastungen und den aggressiven Verdauungssäften standhalten – was bei bisherigen Hydrogelklebern auf Proteinbasis nicht immer gewährleistet ist.
Deshalb haben Forscher der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt Empa ein Hydrogel entwickelt, dass gleich vier acrylbasierte Polymere miteinander kombiniert. Die unterschiedlichen Eigenschaften der vier Komponenten wirken dabei so zusammen, dass das Pflaster sich eng mit der Darmschleimhaut vernetzt und gegenüber Verdauungssäften und Wasser dicht und stabil abschließt. „Die Haftfähigkeit ist bis zu zehnmal höher als bei herkömmlichen Klebematerialien“, sagt Alexandre Anthis von der Empa.