Es besteht Handlungsbedarf – so viel ist klar: Gerade Städte müssen sich an die häufiger und schlimmer werdende Wetterextreme anpassen. Ein wichtiger Baustein beim Schutz gegen Hitzewellen sind die sogenannten Hitzeaktionspläne. Sie umfassen die kurz- und langfristigen Maßnahmen, durch die eine Stadt und ihre Bewohner besser mit heißen Tagen und Nächten klarkommen können.
„Cool Spots“ und Trinkwasser
„Kurzfristig können die Städte die Intensität einer Hitzewelle innerhalb ihrer Mauern nicht verändern“, sagt der Öko-Klimatologe Stefan Emeis vom Karlsruher Institut für Technologie. Wichtig sei es daher, die Menschen zu warnen und für einfache Möglichkeiten der Abkühlung zu sorgen. In den Kommunen muss zudem geklärt sein, ab wann welche Notfall-Maßnahmen einsetzen und von wem sie umgesetzt werden.
Vorreiter für solche Aktionspläne sind viele Großstädte in Frankreich und dem Mittelmeerraum, die nach dem Hitzesommer 2003 entsprechende Maßnahmen etabliert haben. Einige Beispiele: „Klimatisierte Einkaufszentren, Gemeindehäuser und Kirchen werden für die Bevölkerung als Cooling Centers – auch über Nacht – geöffnet oder es sind öffentlich zugänglich klimatisierte Räume mit Sitz- und Liegemöglichkeiten eingerichtet“, berichtet Dea Niebuhr von der Hochschule Fulda.
„Mobile Apps wurden entwickelt, die solche kühlen Orte in der Nähe des Wohnortes anzeigen und auch Standorte von kostenloser Verteilung von Trinkwasser und von Trinkwasserspendern. Telefonische Helplines in Rathäusern werden geschaltet, wo sich Bürgerinnen und Bürger bei geschultem Personal über den individuell zu treffenden Hitzeschutz informieren können.“ Schulen verzichten auf den Sportunterricht im Freien und haben für die Kinder und Jugendlichen alternative hitzeschonende Programme parat. Schulprüfungen werden ausgesetzt.“
Ebenfalls kurzfristig helfen kann eine Verschiebung der Arbeitszeiten während einer Hitzewelle nach Vorbild der südlichen Länder: Während der heißesten Tageszeit wird nicht im Freien gearbeitet, dafür morgens früher und abends später in den Abend hinein. Auch Menschen, die in Innenräumen ohne Klimatisierung arbeiten, könnten durch solche flexiblen Arbeitszeiten besser vor Hitzefolgen geschützt werden.
Warnen und informieren
Als wichtigsten Baustein sehen viele Experten aber die Information der Bevölkerung, gerade in den Städten. „Häufig werden die gesundheitlichen Gefahren durch Hitze unterschätzt, daher ist es wichtig über die Symptome von Hitzestress zu informieren“, sagt Niebuhr. In Deutschland gibt der Deutsche Wetterdienst (DWD) amtliche Hitzewarnungen heraus.
Die erste Warnstufe wird ausgerufen, wenn die gefühlte Temperatur – sie ergibt sich aus Lufttemperatur, Luftfeuchtigkeit und Wind – am frühen Nachmittag 32 Grad überschreitet. Die zweite folgt bei einer gefühlten Temperatur von 38 Grad. Diese Hitzewarnstufen sind bis auf die Landkreisebene spezifisch, daher ist es einer Stadt damit möglich, ihre Bewohner gezielt und rechtzeitig zu warnen und die kurzfristigen Maßnahmen einzuleiten – theoretisch.
„In Kommunen müssen Kommunikationsprozesse und die damit verbundenen Aufgaben zur akuten Bewältigung solch einer Hitzewelle angestoßen werden. Dazu zählt unter anderem die Warnung wichtiger Infrastrukturen mit besonders verwundbaren Menschen – beispielsweise Kindergärten, Altenheime, Pflegedienste und Krankenhäuser“, erläutert Jörn Birkmann von der Universität Stuttgart. „So kann das zuständige Personal vermehrt auf die Flüssigkeitszufuhr, die Verschattung und die Symptome von hitzeinduzierten Krankheitsverläufen wie Hitzeschlägen achten.“
Städte und Landkreise bisher kaum vorbereitet
Allerdings setzt dies voraus, dass Städte und Kommunen entsprechend vorbereitet sind und das Prozedere für den Akutfall geplant ist. Zwar haben Bund und Länder im Jahr 2017 bereits eine Richtlinie für Hitzeaktionspläne mit entsprechenden Handlungsempfehlungen und Hilfen zusammengestellt. In Deutschland ist der Hitzeschutz aber nicht Sache des Bundes, sondern der Landkreise. Städte und Kommunen.
Und dort hapert es noch, wie im Juni 2023 Recherchen von Correktiv, BR, WDR und NDR ergaben. Dafür hatten sie alle 400 Landkreise und kreisfreien Städte in Deutschland dazu befragt, ob sie Hitzeaktionspläne und weitere Schutzkonzepte für die Klimaanpassung haben. Das Ergebnis: Von den 329 Landkreisen und kreisfreien Städten, die Auskunft erteilten, hat nur ein Viertel schon ein Klimaschutzkonzept erarbeitet, gegen Hitze waren es nur rund 20 Prozent.
Selbst viele Städte in Deutschland, die häufiger und stärker von Hitze betroffen sind als der Durchschnitt, haben bisher nichts zur Vorbereitung getan, wie Correktiv ermittelte. Das lässt auch für die langfristigen Anpassungen der Städte wenig Gutes hoffen.