Ähnlich wie alle vorneuzeitlichen Kulturen hatten auch die Babylonier keine Chance, die wahren Urheber ihrer Epidemien und Infektionskrankheiten zu erkennen. Denn die Existenz von Bakterien und Viren konnten Mediziner erst mit der Erfindung der ersten Mikroskope und mikrobiologischen Methoden nachweisen. Vor 4.000 Jahren mussten sich die Menschen in Mesopotamien daher einen eigenen Reim auf das Seuchengeschehen machen.

Zornige Götter und krankmachende Dämonen
Und das taten sie – auf ihre Weise: Die Babylonier sahen als Urheber von Krankheiten und Seuchen meist übernatürliche Kräfte wie krankmachende Gottheiten oder Dämonen. Einer davon, der dem Mondgott unterstellte Dämon Bennu, beispielsweise galt als Verursacher von Krampfanfällen, wie aus der 2.700 Jahre alten Keilschrifttafel eines assyrischen Beschwörungspriesters hervorgeht. Für Seuchen und Pestilenzen war dagegen Erra verantwortlich, einer der babylonischen Götter der Nacht. Auf einem Schutzamulett aus Assur heißt es: „Bei Epidemien, Katastrophen und Pestilenz, dem Morden des Erra, der Seuche, dem starken (…) des Erra, erbarmt Euch meiner…“
Die Babylonier und Assyrer gingen davon aus, dass die an einer Seuche erkrankte Person oder sogar die gesamte Gemeinschaft im Bann solcher Dämonen und Gottheiten stand. Mit speziellen Ritualen und Beschwörungen sollte der Zorn dieser übernatürlichen Wesen abgewendet werden. Den Keilschrifttexten zufolge fasste der Beschwörer den Erkrankten dabei an der Hand und wandte sich, die entsprechenden Litaneien rezitierend, an die Götter mit der Bitte um Lösung des Banns.
Heilkundige kannten die Gefahr der Ansteckung
Doch bei allem magischen Überbau zogen die Babylonier auch ganz praktische Lehren aus ihren Beobachtungen des Seuchengeschehens. So erkannten sie durchaus, dass bestimmte Krankheiten übertragbar waren und dass ein enger Kontakt zu Erkrankten und den von ihnen benutzten Utensilien eine Gefahr bedeuten konnte.