Synchronisation, die ohne ein äußeres Signal oder einen Anführer entsteht, ist in der Natur weit verbreitet. Neuronen im Gehirn feuern oft im Gleichtakt, Leuchtkäfer synchronisieren ihr Blinken oder Grillen zirpen einhellig. Eine ähnliche Harmonie ist auch in Stromnetzen notwendig. Alle Generatoren, aber auch alle Strom verbrauchenden Geräte am anderen Ende der Leitung müssen auf den einheitlichen Takt des Wechselstroms im europäischen Verbundnetz abgestimmt sein: 100-mal pro Sekunde ändert die Stromrichtung dabei ihr Vorzeichen – 50-mal positiv und 50-mal negativ. Daraus ergibt sich eine Frequenz von 50 Hertz.
Bei Abweichungen droht ein Stromausfall
Die Generatoren großer Kraftwerke werden so geregelt, dass sie im Rhythmus mit dem Stromnetz bleiben. Ihre Elektromagneten drehen sich in Kupferspulen genauso schnell, dass sie alle synchron laufen und dieser Takt eingehalten wird – europaweit. Fällt ein Kraftwerk oder eine Leitung aus, müssen andere einspringen- dadurch jedoch kann es zu kurzzeitigen Schwankungen der Frequenzen kommen, bis auch die Ersatzlieferungen im Gleichtakt schwingen. Sind diese Abweichungen zu groß, schaltet sich das betroffene System automatisch aus – ein Stromausfall ist die Folge.
Aber auch die Endgeräte müssen den vorgegebenen Takt verarbeiten können. Das Netz zwingt den Waschmaschinen, Staubsaugern oder Kühlschränken am anderen Ende der Leitung seine Frequenz auf. So bleiben alle im Gleichtakt. Ohne diesen kommt es zu Kurzschlüssen oder Not-Ausschaltungen. Denn für einen Zusammenbruch der Verbindung reicht es unter Umständen schon, dass die Oszillationen der nachgefragten und der angebotenen Spannung nicht völlig parallel laufen.
Viele kleine statt weniger großer
Im Zuge der Energiewende wird sich die Struktur des Stromnetzes aller Voraussicht nach jedoch ändern: Großkraftwerke, die ihre Umgebung beliefern, werden zu einem Gutteil ersetzt durch eine Vielzahl von kleineren Photovoltaik-Anlagen auf Dächern, Biogasanlagen auf Feldern sowie durch Windkraft-Anlagen auf Hügeln oder offener See. Die Leitungen werden also nicht mehr sternförmig vom Kraftwerk zu den Verbrauchern verlaufen, sondern eher wie ein feinmaschiges Fischernetz viele Erzeuger mit vielen Verbrauchern verbinden. Zudem werden Sonne und Windkraftwerke nicht immer gleich viel Strom liefern, die eingespeiste Energiemenge schwankt daher stärker als bisher.
Diese Vielzahl von Generatoren in einen Gleichtakt zu zwingen, halten einige Experten für sehr schwierig. Statt nur weniger Großlieferanten müssen sich in der Netzarchitektur der Zukunft viele kleine Einspeiser abstimmen. Es gilt sozusagen, ein riesiges Orchester mit Tausenden Mitgliedern statt eines Kammerorchesters zu dirigieren. Dadurch, so befürchten viele, könnte die Stromversorgung in Deutschland zukünftig weitaus weniger zuverlässig sein als bisher. Ein Forscherteam um Marc Timme vom Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation in Göttingen ist dieser Befürchtung nun nachgegangen und hat untersucht, wie sich die neue Netzstruktur und das schwankende Stromangebot auf die Versorgung auswirken könnten.
Marc Timme, Dirk Witthaut / Max-Planck-Gesellschaft
Stand: 14.09.2012