Spätestens als Albert Einstein offene Aufrufe zum Mord an seiner Person in der Zeitung las, muss ihm klar gewesen sein, dass er Deutschland den Rücken kehren würde. Die „Staatsbürger Zeitung“ verkündete damals: „Zur Liga gehören u. a. Professor Einstein … Wir würden jeden Deutschen, der diese Schufte niederschießt, für einen Wohltäter des deutschen Volkes halten.“
Im antisemitisch geprägten Deutschland vor dem Zweiten Weltkrieg war es für Einstein sicher nicht förderlich, dass er Jude war. Dazu kam dann noch die Tatsache, dass er – im Gegensatz zu den meisten anderen Wissenschaftlern seiner Zeit – ein starkes politisches Engagement zeigte. Sein ganzes Leben lang war er „hin und her gerissen zwischen Politik und Gleichungen“.
Zu naiv für die Politik
Die Politik beeinflusste auch Einsteins Verhältnis zum Judentum. Hatte er sich noch mit 16 Jahren als konfessionslos bezeichnet und von Gott oft als dem „Alten“ gesprochen, identifizierte er sich während seiner Zeit in Berlin mehr und mehr mit dem Judentum. Vor allem das Selbstbewusstsein und eine Solidarität unter Juden waren ihm wichtig. Diese Ansichten machten die zionistische Bewegung auf Einstein aufmerksam. Diese seit 1897 bestehende Bewegung verfolgte das Ziel der Gründung eines unabhängigen jüdischen Staates. Einsteins großes Engagement führte 1952 schließlich dazu, dass ihm die Präsidentschaft Israels angeboten wurde. Eine Ehre, die der Physiker mit der Begründung ablehnte, er sei zu naiv für die Politik.
Davon ahnte Einstein natürlich noch nichts, als zu seinen Berliner Zeiten die „abscheuliche Relativitätslehre“ als „schreckliche Missgeburt“ und „verarmtes Kunstgebilde“ abgetan wurde. Es erschien sogar ein Buch mit dem Titel „100 Autoren gegen Einstein“. Ein Mann, der der Anstiftung zum Mord an Einstein angeklagt wurde, kam mit einer Geldstrafe davon. Andererseits galt er mit steigender Popularität zunehmend als „Kulturfaktor ersten Ranges“, der Deutschland im Ausland repräsentieren und sich herum zeigen lassen musste „wie ein prämierter Ochse“.
Einstein kehrt „Barbarien“ den Rücken
Zu Beginn des Jahres 1933 – Hitler war gerade an die Macht gekommen – äußerte sich Einstein in den USA kritisch über die neue deutsche Regierung. Kurz darauf legte er seine Stellung bei der Preußischen Akademie der Wissenschaften nieder. Unter den anderen Berliner Wissenschaftlern, zu denen auch Max Planck, Lise Meitner und Otto Hahn gehörten, erhob sich keine Stimme zu Einsteins Gunsten. Max von Laue schrieb ihm später noch vorwurfsvoll: „Aber warum musstest Du auch politisch hervortreten!“ Auch die Berliner Tageszeitung zeigte wenig Bedauern: „Gute Nachrichten von Einstein – er kommt nicht zurück.“
In den nächsten Jahren verließen zahlreiche weitere bedeutende Wissenschaftler das Land, das Einstein später oft als „Barbarien“ bezeichnete. Neben dem Problem der Abwanderung führten eine mangelhafte finanzielle Förderung, eine theorienfeindliche Ideologie sowie ein politisch geförderter Rückgang der Studentenzahlen dazu, dass die Forschung in Deutschland über lange Zeit elementar behindert blieb.
Einsteins Erlebnisse im nationalsozialistischen Deutschland machen begreiflich, dass er sich als Pazifist für den Bau einer amerikanischen Atombombe einsetzte. Die Vorstellung, Hitler könne eines Tages im alleinigen Besitz einer solchen Waffe sein, jagte mit Sicherheit nicht nur Albert Einstein Angst ein.
Stand: 22.03.2001