Im Krieg gibt es nicht nur Anführer und Soldaten, sondern auch Sanitäter, die sich um die Verwundeten kümmern. Und tatsächlich existiert diese Rolle auch im Tierreich – zumindest bei den afrikanischen Matabele-Ameisen (Megaponera analis). Diese haben medizinische Versorgung auch bitter nötig, denn sie befinden sich in einem nie endenden Krieg gegen ihre einzige Futterquelle: Termiten.
Invasion im Miniformat
Mehrmals täglich brechen aus einem Matabele-Ameisennest kleine Spähtrupps auf, die nahegelegene Termitenbauten auskundschaften. Haben sie ein geeignetes Ziel gefunden, kehren sie zurück zum Nest und geben der Armee Bescheid. Bis zu 500 Ameisensoldaten marschieren nun in einem zwei bis drei Meter langen Heerzug ins Feindesland. Ganz vorne laufen die größten und stärksten Krieger. Ist die Armee am Termitennest angekommen, durchbrechen diese die vordersten Schlachtreihen und ermöglichen so eine blutige Invasion.
Doch ganz so leicht machen die Termiten es den rund zwei Zentimeter großen Matabele-Ameisen nicht, die ihren Namen übrigens von einem legendären Kriegerstamm im Südwesten Afrikas haben. Die Termitenkrieger verteidigen sich und ihre Kolonie bis zum Tod und fügen den Ameisen mit ihren Mundwerkzeugen dabei teils schwere Wunden zu. Jedem fünften Ameisensoldaten fehlen daher ein oder zwei Beine.
Ein Lazarett mit Antibiotika
Doch die verwundeten Ameisen können sich auf ihre Kameraden verlassen. Wenn sie nach der Schlacht mit einem chemischen Lockstoff um Hilfe rufen, werden sie von den anderen Ameisen-Soldaten zurück ins Nest getragen. Dort landen sie in einer Art Lazarett, wo sich erfahrene „Ärzte“ um die verletzten Krieger kümmern. Zu den Aufgaben einer solchen Doktorameise gehört es zum Beispiel, noch festgebissene Termiten aus dem Panzer eines Patienten zu lösen.
Meist geht es aber um amputierte Gliedmaßen. Um Infektionen vorzubeugen, lecken die Sanitäter die Wunde ihres Artgenossen und tragen so eine antibiotische Substanz aus einer körpereigenen Drüse auf. Unbehandelt sterben 90 Prozent der verwundeten Ameisen an einer Infektion, bei Patienten im Lazarett „nur“ 22 Prozent. Soldaten, bei denen sich die Wunde bereits entzündet hat, bekommen eine Extraportion Antibiotika, um wieder zu Kräften zu kommen.
„Mit Ausnahme des Menschen ist mir kein anderes Lebewesen bekannt, das eine derart ausgefeilte medizinische Wundbehandlung vornehmen kann“, erklärt Ameisenforscher Erik Frank von der Universität Lausanne.
Krankmachen gilt nicht
Wenn es einem der Patienten besser geht, übt er im Lazarett das Laufen mit weniger Gliedmaßen. Sobald das gelingt, geht es für den Soldaten so schnell wie möglich wieder zurück an die Front. Denn die Matabele-Ameisen können sich keine langen Krankheitsausfälle leisten. Ihr gesamtes Nest besteht aus gerade einmal 1.000 Tieren. Jeder verfügbare Krieger muss daher beim Raubzug dabei sein, damit die Nahrungsbeschaffung erfolgreich verläuft.
Das ist wahrscheinlich auch der Grund, warum Matabele-Ameisen überhaupt eine Lazarett-Struktur entwickelt haben, statt ihre verletzten Krieger einfach auf dem Schlachtfeld zurückzulassen. Aufgrund geringer Geburtenraten können sie sich hohe Verluste schlicht nicht leisten, wenn die Kolonie eine Zukunft haben soll.
Krieg oder nicht?
Was ist es nun also, was so viele verschiedene Tierarten zum systematischen Kampf bewegt? Kann wirklich von Krieg im menschlichen Sinne die Rede sein? Wahrscheinlich nicht, aber weit hergeholt ist der Gedanke trotzdem nicht. Viel von dem Verhalten kriegerischer Tiere kommt uns nicht ohne Grund zutiefst menschlich und vertraut vor. Es zeigt uns einmal mehr, dass wir hierarchisch nicht über den Tieren stehen, sondern selbst eines sind.