Naturereignisse/Naturkatastrophen

Immer am Rande der Katastrophe?

Der Mississippi lässt sich nicht zähmen

Missisippi-Hochwasser © NASA

Aber der Missisippi bringt den Anwohnern nicht nur Wasser und Handelsmöglichkeiten, sondern auch jede Menge Gefahren. Als „gesetzlosen Strom“, der nicht zu zähmen oder zu besiegen ist, hat ihn Mark Twain einst zu Recht bezeichnet und spielte damit darauf an, dass der Fluss häufig seinen Lauf geändert und sich ein neues Bett sucht hat. Seit mehr als 200 Jahren versuchen Wissenschaftler und Techniker seine Wassermassen nunmehr in den Griff zu bekommen, trotz aller Anstrengungen bis heute vergeblich.

Eingepferchter „Old Man River“

Alle Register ihre Könnens haben sie gezogen, alles Menschenmögliche ausprobiert. Die Ufer sind fast überall befestigt, 11.000 Kilometer Dämme und Deiche, zahllose Rückhaltebecken und Schleusen wurden gebaut oder auf den neuesten Stand der Technik gebracht. In vielen Bereichen kann sogar der Flussgrund mit Stahlbetonkonstruktionen verändert und dem Wasserstand angepasst werden. „Old Man River“ ist seitdem in ein viel zu enges Bett eingepfercht und viele der natürlichen Flußauen und Sümpfe, die hochwassermildernd wirken können, wurden von der Wasserversorgung abgeschnitten.

Fast 20.000 Quadratkilometer an Rückhaltebecken, an natürlichen Wasserspeichern verschwanden dabei allein an Missouri und Mississippi im Laufe der Zeit. Dort wo früher Tom Sawyer und Huckleberry Finn ihre Abenteuer erlebten, befindet sich heute fruchtbares Acker- und Siedlungsland. Die verbliebenen Sumpfgebiete werden mittlerweile durch die Deiche sogar geschützt, denn Louisiana sinkt langsam aber stetig ab. Die Materialien im Untergrund verfestigen und verdichten sich im Laufe der Zeit immer mehr.

Hochwasser als Normalität

Trotz und teilweise vielleicht auch wegen all dieser Maßnahmen hat der Mississippi in seiner Geschichte immer wieder für Überschwemmungen und die damit verbundenen Schäden gesorgt. Hochwasser am Missisippi ist für die Anwohner daher in etwa so spektakulär, wie ein Sieg der USA bei einem Olympischen Basketballturnier. Manchmal aber kommt es doch zu Flutereignissen, die sogar die hochwassergewöhnten Anwohner überraschen.

1927 etwa gab es eine Überschwemmungskatastrophe, bei der sogar New Orleans in unmittelbare Gefahr geriet und durch einen separaten Damm geschützt werden musste. 70.000 Quadratkilometer in Staaten wie Louisiana oder Mississippi standen schließlich unter Wasser, zahllose Menschen kamen ums Leben, Hunderttausende verloren zumindest zeitweilig ihre Heimat und große Teile der Ernte wurden vernichtet.

Missisippi "normal" © NASA
Katastrophenjahr 1993

Ein anderes außergewöhnliches Hochwasser fand im Jahr 1993 statt, dieses Mal im Oberlauf des Flusses. Nahe der Mündung des Missouri in den Mississippi, bei St. Louis, bildete sich eine gewaltige Seenlandschaft, als der „Vater aller Ströme“ über seine Ufer ging. 30 Millionen Menschen im Großraum St. Louis waren von dem Hochwasser unmittelbar bedroht.

Nicht nur die hohe Bevölkerungsdichte machte den Experten Sorgen, erschwerend kam noch hinzu, dass der Mississippi teilweise wie auf Stelzen durch die Landschaft fliesst. Die sich ablagernden Sedimente und Gesteinsmassen haben das Flussbett des Missisippi im Laufe der Jahrhunderte deutlich erhöht. Mehr als fünf Meter liegen Regionen wie die Stadt St. Louis heute unter dem Wasserspiegel. Schutz vor den Wassermassen bietet ein ausgeklügeltes und perfekt zusammengestelltes System von Deichen und Dämmen. Und die Bauwerke zum Schutz der Stadt hielten auch diesmal im Großen und Ganzen der ungeheuren Belastung durch die Wassermassen stand.

Missisippi "normal" © NASA

Dafür hatten andere Regionen stark unter dem Hochwasser zu leiden. 100.000 Quadratkilometer besten Acker- oder Weidelandes verwandelten sich in ein Paddel- und Surferparadies. Erstaunlicherweise starben in den dramatischen Tagen und Stunden nur knapp 50 Menschen, doch 30.000 wurden obdachlos, die Schäden beliefen sich auf weit mehr als 10 Milliarden Dollar. Auch für amerikanische Verhältnisse keine Peanuts. Besonders problematisch waren die Auswirkungen auf die Umwelt. Aus den zahllosen chemischen Betrieben in Ufernähe gelangten extrem giftigen Substanzen ins Wasser, die sich nach dem Rückzug des Wassers in der zurückbleibenden Schlammschicht anreicherten und das Agrarland für längere Zeit unbrauchbar machten. Ein Rückschlag für die Landwirtschaft, aber auch der Exodus für viele Biotope und ökologische Nischen.

Auch das in erster Linie für den Hochwasserschutz am Mississippi verantwortliche Army Corps of Engineers und die tatkräftige Hilfe der hochwassererfahrenen Bevölkerung konnten diese Katastrophe nicht verhindern.

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Stand: 20.11.2000

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