Anthropogeographie

In den Kinderschuhen

Neue Sprachen

„Auf 4.000 aussterbende Sprachen“ – eine Zahl, die derzeit realistisch ist – „kommen vielleicht 30 neue“, schätzt Jost Gippert, Direktor des Instituts für vergleichende Sprachwissenschaft in Frankfurt am Main, der auch am DOBES-Projekt beteiligt ist. Doch dass neue Sprachen entstünden, passiere immer seltener so Gippert weiter, denn dies sei vor allem ein Phänomen der Kolonialzeit gewesen.

Relikt der Kolonialzeit

Im Südpazifik entstanden beispielsweise im 17. und 18. Jahrhundert auf Basis der europäischen verschiedene Kreolsprachen. Sie spiegeln die Ziele der Kolonialherren wieder, die den Pazifischen Raum eroberten. Kreolsprachen kommen aber nicht nur dort, sondern auchin den Küstenregionen Amerikas, Afrikas und Indiens sowie Süd- und Südostasiens vor.

Kreolsprachen sind aus Pidgin entstanden und zwar zur Zeit des Sklavenhandels. Um Meutereien und Aufstände zu verhindern, trennten Sklavenhändler und später auch die Besitzer Sklaven mit der gleichen Sprache voneinander, um Kommunikation zu unterbinden. Da sich die Sklaven in den Plantagen, wohin sie zum Arbeiten gebracht wurden, jedoch verständigen mussten – untereinander wie auch mit den Aufsehern – entwickelten sie Behelfssprachen mit kleinem Wortschatz.

Jugendsprache wird zum Standard

Die nächste Generation der Sklaven wuchs anschließend in einer Umgebung ohne feste eigene Sprache auf, oft gehörten die Eltern verschiedenen Volksgruppen an. Da Kinder jedoch eine eigene vollwertige Sprache brauchen, in der sie lernen zu kommunizieren, schufen sie sie kurzerhand selbst, mit eigenen Grammatikregeln und erweitertem Wortschatz.

Die Wurzeln der europäischen Sprachen, Englisch, Französisch, Portugiesisch, Spanisch oder Niederländisch, sind dabei in einigen Kreolsprachen noch wiederzuerkennen. So bedeutet beispielsweise „rizol“ im Kreol der karibischen Insel Nevos so viel wie „results“ im Englischen, „piipl“ heißt Menschen (für „people“), oder „aks“ fragen für „ask“.

Überraschende Parallelen

Erstaunlicherweise gleichen sich viele Kreolsprachen in der Grammatik untereinander sehr stark, viel mehr als sie Ähnlichkeiten zu ihren Ursprungssprachen aufweisen. Für die Gründe für diese Entwicklung gibt es zahlreiche Theorien, die aber bisher alle noch nicht gänzlich verifiziert sind.

So wird zum Beispiel auch in diesem Fall von Forschern die Universalgrammatik ins Feld geführt, die dem Menschen angeboren sein soll und auf die er instinktiv zurückgreift, wenn eine neue Sprache entsteht. Vielleicht nutzen die Kreolsprachen aber auch den Grammatiktyp, den Menschen am leichtesten verstehen und lernen können. Ebenso könnten die westafrikanischen Sprachen dafür eine Ursache sein, denn von dort wurde ein Großteil der Sklaven in der Kolonialzeit zu den neuen Ländereien verschifft.

Egal wie die Entstehung tatsächlich abgelaufen ist, die Kreolsprachen gelten heute als eigenständige Sprachen. Auch wenn das die Sprecher selbst nicht immer so sehen. Denn nach wie vor betrachten sich viele der Nachkommen der Kolonial-Sklaven als minderwertig, stolz auf ihre Sprache sind die meisten nicht. Sie sehen sie häufig nur als schlechtere Variante der höher gestellten und angesehenen Ausgangssprache an.

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Stand: 08.01.2010

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

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„Schlaf nicht. Es gibt Schlangen.“
Ein Urwaldvolk kippt gängige Sprachtheorien

Ei oder Henne?
Sprache und Denken

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