Seit 1967 ist das russische Raumschiff das wohl robusteste und zuverlässigste Taxi ins All. Dennoch: Keine Technik ist unfehlbar. Deshalb wird Alexander Gerst besonders intensiv auf mögliche kritische Situationen vorbereitet. Also: Schuhe aus und durch die runde Luke hinein in das zylindrische Startmodul der Raumkapsel. Viel Platz ist hier nicht für die drei Astronauten, die bei einem echten Flug im voluminösen Raumanzug mit angewinkelten Beinen und rundem Rücken wie Babys in ihren Schalensitzen klemmen. Jeder Zentimeter des nur 3,5 Kubikmeter großen Raums erfüllt eine Funktion. Unter anderem haben Lebenserhaltungs-, Steuer- und Fallschirmsysteme hier ihren Platz.
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„Wir halten uns während der mehrstündigen Startvorbereitungen und in den ersten acht Minuten nach dem Start hier auf“, erläutert Gerst. So viel oder auch so wenig Zeit liegt zwischen der Zündung der Raketentriebwerke und dem Erreichen einer ersten, vorübergehenden Raumschiff-Position im Orbit, bevor es dann weiter zur ISS geht. Kein Wunder: Die Sojus erreicht eine Geschwindigkeit von circa 28.000 Stundenkilometern – relativ zur Erde, nachdem sie deren Atmosphäre verlassen hat. Dem enormen Druck, dem auch Gerst bei seinem für Mai 2014 geplanten ersten Raumflug ausgesetzt sein wird, kann er nur durch körperliche Fitness und den sicheren und korrekten Umgang mit der Ausrüstung an Bord der Raumkapsel widerstehen.
Raumanzug als Lebensretter
„Auch der Raumanzug ist Teil unseres Lebenserhaltungssystems. Er versorgt uns unter anderem mit Sauerstoff und ist zum Beispiel beim Ausbruch eines Feuers überlebenswichtig“, erklärt der Geophysiker. Denn an Bord der Sojus kann es keinen klassischen Feuerlöscher geben. „Das heißt, wir müssen mit geschlossenem Visier den Raumanzug unter Druck setzen und die Luft in den Weltraum ablassen. So entsteht ein Vakuum in der Kapsel, das Feuer erlischt, weil ihm der Sauerstoff fehlt.“
Immer wieder spielt Alexander Gerst diese und weitere Szenen mit seinem Trainer durch – zuerst im blauen ESA-Overall, dann im russischen Sokol-Raumanzug. Den muss er im Notfall innerhalb von drei Minuten bei Dunkelheit anziehen können. Konzentriert hört Gerst den russischen Ausführungen zu. Die unzähligen Tasten, Knöpfe und Hebel im Cockpit der Sojus hat er fest im Blick. Jeder Handgriff muss sitzen, Gerst macht sich im wahrsten Wortsinn mit dem Raumschiff vertraut. Ist ein Ablauf unklar, fragt er, ebenfalls auf Russisch, nach.
Per Funk sind der deutsche Astronaut und sein Lehrer mit einem weiteren Trainer im Kontrollraum neben der Sojus-Kapsel in Kontakt. „Auch das entspricht der Realität“, sagt der 36-Jährige. „Wir sind in regelmäßigen Intervallen mit der Bodenkontrollstation in Moskau verbunden und haben Alarm- und Warnsysteme an Bord, die sich bei Störfällen melden würden, zum Beispiel, wenn wir ein Problem bei der Zündung eines Raketentriebwerks hätten. Auf unserer Reise zur Raumstation
müssen wir regelmäßig solche Boostmanöver durchführen, um das Raumschiff auf seiner Bahn anzuheben und auf den richtigen Weg zur ISS zu bringen.“
DLR Magazin 135 / Elisabeth Mittelbach
Stand: 12.10.2012