Als der große amerikanische Astrophysiker Subrahmanyan Chandrasekhar beschloss, einen der Gründungstexte der modernen Physik in die Sprache der heutigen Wissenschaft zu übersetzen, entschied er sich für Newtons „Principia“ von 1687. Galileis Hauptwerk, seine 1638 erschienenen „Discorsi“, hätten dieser zweifelhaften Übung wohl ein noch weitaus widerspenstigeres Material geboten. Zu weit entfernt von heutiger Wissenschaft sind ihr Inhalt und ihr Stil.

Ungewöhnliche mathematische Sprache
Ein moderner Leser hat sogar Schwierigkeiten, in den „Discorsi“ die Gesetze der modernen Physik überhaupt wiederzufinden, die sich mit Galileis Namen verbinden. Selbst das Fallgesetz und die Behauptung, dass die Kurve, die ein fliegendes Geschoss beschreibt, eine Parabel ist, findet man erst, nachdem man sich in der komplizierten Struktur zurechtgefunden und an eine ungewöhnliche mathematische Sprache gewöhnt hat.
Der Dialog gliedert sich in vier Tage, einer der Dialogpartner liest den anderen aus einem systematischen Traktat über die Bewegung und ihre Gesetze vor. Galileis Bewegungslehre ist eine der beiden neuen Wissenschaften, denen sein Buch gewidmet ist. Sie wird im dritten und vierten Tag des Dialogs vorgestellt. Die andere neue Wissenschaft, im ersten und zweiten Tag diskutiert, handelt von der Stabilität der Materie. Darüber hinaus geht es in den Dialogen um naturphilosophische Fragen und praktische Anwendungen.
Galileis „Discorsi“ wirken bruchstückhaft und unsystematisch, auch in ihren Begründungen wissenschaftlicher Behauptungen. Gerade das aber macht sie für Wissenschaftshistoriker so faszinierend. Sie bieten uns die Momentaufnahme einer Umbruchssituation. Galilei hat keine umfassende Theorie der Mechanik, die die aristotelische Naturphilosophie überwindet. Aber er hat in einem langwierigen Forschungsprozess wesentliche Einsichten errungen, aus denen erst seine Nachfolger die moderne Mechanik konstruieren sollten.