Die Schleimpilze (Mycetozoa) haben eine Lebensweise, die sie von Tieren, Pflanzen und Pilzen unterscheidet. Und obwohl sie Einzeller sind, weisen sie einige Eigenschaften auf, die sonst nur von mehrzelligen Vertretern der drei anderen großen Organismenreiche bekannt sind.
Der Schleimpilz lässt sich nicht labeln
Die vielen Spezies der Schleimpilze bilden eine eigenständige Gruppe, denn sie können keinem anderen Ast im Stammbaum des Lebens eindeutig zugeordnet werden. Sie haben zum Beispiel kein Chlorophyll und können ihre Energie nicht wie Pflanzen aus Licht gewinnen. Stattdessen leben die Schleimpilze heterotroph und beziehen damit ähnlich wie Tiere ihre Nährstoffe von anderen Organismen.
Allerdings sind sie in der Lage Fruchtkörper und Sporen zur Verbreitung auszubilden, was sie wiederum deutlich von tierischen Organismen abgrenzt. Nun könnte man vermuten, dass sie als Sporenbildner zu den Pilzen gehören müssten – sie haben es ja sogar im Namen. Doch weit gefehlt: Während die vielen Vertreter der Pilze immer an ihren Standort gebunden sind, ist der Schleimpilz in der Lage, sich wie eine Amöbe zu bewegen und regelmäßig den Standort zu wechseln.
Ein besonderer Eukaryont
Wenigstens in eine Kategorie können die schleimigen Alleingänger aber sicher eingeordnet werden: Sie gehören zu den Eukaryonten. Anders als beispielsweise Bakterien oder Archaeen besitzen sie einen Zellkern, in dem ihre DNA verpackt ist. Diese enthält die Information für den Aufbau von Proteinen, welche unerlässlich für das Funktionieren einer Zelle sind.
Auch wir Menschen bestehen am Anfang aus einer einzigen Zelle mit Zellkern, die dann befruchtet wird, sich immer weiter teilt und schließlich zu dem heranwächst, was uns heute ausmacht: ein Körper bestehend aus Billionen von Zellen. Doch nicht so der Schleimpilz: Er kann je nach Entwicklungsstadium als amöbenähnlicher Einzeller leben oder sich zu einer riesigen, vielkernigen Zellmasse vereinen. Dieser Fruchtkörper kann je nach Schleimpilzvariante entweder aus nur einer amöboiden Zelle entstehen oder durch den Zusammenschluss vieler einzelner Schleimpilzamöben.
Zellkernteilung ist der Trick
Doch wie kann der Schleimpilz mit einer einzigen Zelle seinen Organismus koordinieren und aufbauen? Tatsächlich setzt er die allgemeingültige Regel für mehrzellige Eukaryonten – nämlich einen Zellkern pro Zelle – einfach außer Kraft. Denn anstatt wie wir Menschen durch Zellteilung zu wachsen, teilen Schleimpilze der Gattung Dictyostelia einfach ihre Zellkerne, und zwar alle paar Stunden.
„Eine Zelle kann so je nach Größe mehrere Milliarden Zellkerne umfassen, die zusammen mit der Zellflüssigkeit durch die Zelle fließen“, erklärt Hans-Günther Döbereiner, der an der Universität Bremen zu den Eigenschaften des Schleimpilzes forscht. So steht genügend Erbinformation zur Verfügung, die abgelesen und zur Produktion von Proteinen genutzt werden kann, welche den Einzeller koordinieren.