Ein Jahr im Eis – für die Teilnehmer der MOSAiC-Expedition bringt dies einiges an Herausforderungen und Gefahren mit sich. Denn trotz moderner Ausrüstung und Satellitenkommunikation müssen sie über Monate hinweg in Kälte, Dunkelheit und weitgehender Isolation von der Außenwelt leben und arbeiten.
Überlebenstraining für Mensch und Material
Schon vor Beginn der Drift-Expedition haben sich die Expeditions-Teilnehmer darauf intensiv vorbereitet – unter anderem durch Trainingscamps in Alaska und anderen arktischen Gegenden. „Denn einer der wichtigsten Gradmesser für den Erfolg ist: keine Verletzungen“, betont Expeditionsmitglied Matthew Shupe. Er absolvierte im April 2019 gemeinsam mit einer Gruppe von US-Forschern und Technikern ein Polartraining, bei dem sie unter anderem lernten, wie man Sicherheitsleinen knotet, sich vor Unterkühlung schützt oder ein Schneemobil fährt.
Auch das Material und alle Geräte wurden im Vorfeld gründlich unter Polarbedingungen getestet. Denn so sensibel die Elektronik vieler Messinstrumente auch sein muss – während der arktischen Drift muss sie im Extremfall eisigen Minusgraden, Orkanböen und anderen widrigen Bedingungen widerstehen. Jedes einzelne Ausrüstungsstück muss daher polarfest gemacht werden. „Ersatzteile werden wir dort nur schwer bekommen“, sagt Shupe.
Herausforderung auch für die Psyche
Aber nicht nur die äußeren Bedingungen sind eine Herausforderung – auch für die Psyche kann das Leben auf der Eisscholle belastend sein: „Es wird eine ganz neue psychologische Erfahrung für uns, dass wir mit einem Forschungsschiff so lange im Eis festsitzen“, erklärt AWI-Expeditionsleiter Marcus Rex. „Es ist wichtig, dass das Team an Bord die ganze Zeit eine gute Stimmung behält, wenn es von Dunkelheit und Kälte umgeben tausende von Kilometern durch die Arktis driftet.“
Der erfahrene Polarforscher ist sich jedoch sicher, dass dieser Aspekt für die meisten Teilnehmer kein großes Problem sein wird. „Als Wissenschaftler leben wir an Bord davon, dass wir täglich neue Messdaten bekommen und uns damit beschäftigen“, so Rex. Das sorge für genügend Beschäftigung und Ablenkung.
Stolperdrähte und Wachposten
Eine weitere, im Extremfall tödliche Gefahr sind Eisbären. „Gerade während der Polarnacht können wir Eisbären nur mit Infrarotsichtgeräten aufspüren“, erklärt Rex. „Das ist für uns völlig neu, denn bei bisherigen Expeditionen haben wir nur im Hellen auf dem Meereis gearbeitet.“ Zur Überwachung der Bären wird eine Infrarot-Kamera an einem Mast der Polarstern während der Drift kontinuierlich die gesamte Umgebung abscannen.
Zusätzlich werden rund um einige Stationen Stolperdrähte aufgespannt. Wenn ein Eisbär auf diese tritt, lösen sie harmlose, aber laute Explosionen aus. „Dieser laute, ungewohnte Krach reicht oft schon aus, um die Eisbären zu verjagen, wie erfahrene Polarforscher wissen“, heißt es auf der MOSAiC-Website. Mit an Bord der Polarstern sind zudem sechs eigens geschulte, bewaffnete Wachposten. Jeweils drei von ihnen werden tagsüber durch die Camps patrouillieren und den Wissenschaftlern bei ihren Wegen Begleitschutz geben.
„Ein Restrisiko bleibt immer“
Insgesamt ist klar: Die Transpolardrift ist trotz aller modernen Technik auch im 21. Jahrhundert nicht ohne Risiko. „Ein Restrisiko bleibt bei Expeditionen in die Polargebiete fern aller Zivilisation und abseits jeder schnellen Erreichbarkeit immer und kann auch nicht verhindert werden“, sagt Rex. „Wir entwickeln daher Konzepte für alle denkbaren Szenarien, die wir als potenzielle Gefahrenquellen verstehen. Deshalb wird es auch für jeden Punkt der Route mögliche Evakuierungswege geben.“
Er sieht seiner Zeit als Expeditionsleiter der historischen Drift-Mission daher zuversichtlich entgegen: “ Angst haben wir grundsätzlich nicht“, so Rex.