Technik

Influentials im Visier

Alte und neue Studien zu sozialen Netzwerken

Hier kommt nun Krishna Gummadi vom Max-Planck-Institut für Softwaresysteme ins Spiel. Die Forschungen, an denen er vor allem mit seiner mittlerweile als Assistant Professor am Korean Institute of Science and Technology tätigen Mitarbeiterin Meeyoung Cha gearbeitet hat, versprechen nämlich den Streit um die Influentials zu klären. Gummadi untersucht seit mehreren Jahren die Informationsflüsse sozialer Netzwerke in Internet-Communitys wie Facebook, LiveJournal, LinkedIn (dem amerikanischen Pendant zu Xing) und Twitter.

Einer Nachricht auf der Spur: Massimiliano Marcon, Krishna Gummadi, Bimal Viswanath und Nuno Santos (von links) diskutieren, wie sich Information in sozialen Gruppen ausbreitet. © Bimal Viswanath / MPI für Softwaresysteme

Was sich innerhalb dieser Online-Netzwerke tut, wie sich etwa Moden verbreiten, gibt wichtige Aufschlüsse auch über die Verbreitung von Viren und sozialen Epidemien in der physischen Welt. Denn hier wie dort sind die grundlegenden Strukturen Netzwerke – mit durchaus vergleichbaren Eigenschaften. Einige der ersten Arbeiten überhaupt, welche die Entwicklung von Online-Netzwerken in großem Stil nachzeichnen, sind 2007 von Gummadis Gruppe veröffentlicht worden.

Nutzungsverhalten des Online-Dienstes Twitter im Fokus

Seit Neuestem untersucht er in einer groß angelegten Reihe von Studien das Nutzungsverhalten des Online-Dienstes Twitter. In der zweiten Hälfte des Jahres 2009 haben die Forscher Informationen – mit spezieller Erlaubnis von Twitter und unter Berücksichtigung der üblichen Richtlinien des Datenschutzes – von knapp 55 Millionen Twitter-Konten „gecrawlt“: Im Prinzip öffentliche, aber eben nicht in gesammelter Form vorliegende Informationen wurden durch wiederholte Datenabfragen an die Twitter-Webseite gesammelt.

Aus diesen 55 Millionen wurden wiederum sechs Millionen aktive Nutzer herausgefiltert. Diese Nutzer hatten einander wiederum die erwähnten 1,75 Milliarden Tweets gesendet. Auf der Grundlage der neuen Daten ist es erstmals möglich, empirisch zu untersuchen, wie sich Ideen und Moden in sozialen Netzwerken verbreiten – und damit gängigen Theorien der Mundpropaganda oder der Innovationsverbreitung auf den Zahn zu fühlen.

Eine Studie, an der das Max-Planck-Team derzeit arbeitet, soll zeigen, ob es verschiedene Nutzer sind oder immer wieder dieselben, die mit Erfolg ihre Twitter-Kollegen auf eine bestimmte Webseite hinweisen. Bis vor Kurzem war es lediglich möglich, solche Fragen mithilfe von Computersimulationen oder anderen Modellen zu untersuchen.

In Rohmilch können harmlose Bakterien mit einer neuartigen Antibiotika-Resistenz vorkommen. © Remus Moise / iStock.com

Rangfolge einflussreicher Twitter-Nutzer

Duncan Watts, ehemals Soziologe an der New Yorker Columbia-Universität und heute in der Forschungsabteilung bei Yahoo, kam bei einem Test verschiedener Modellierungsverfahren zu dem Ergebnis, dass die Influentials zwar unter bestimmten Umständen eine Rolle spielen könnten – aber dass diese Umstände eng definiert sind und vermutlich relativ selten eintreten. Influentials, so das Resümee seiner Studie, sind weniger Leute mit bestimmten Eigenschaften als vielmehr solche, die einfach Glück gehabt haben.

Genau hieran knüpft die neue Twitter-Studie an. Bei der Formulierung von Hypothesen und dem Design von Versuchen greift die Studie auf die im Feld der Netzwerk-Analyse etablierten Methoden zurück. Das Vorgehen ist allerdings empirisch. In den Daten suchten die Forscher gezielt danach, welche Webseiten die Twitter-Nutzer einander empfohlen hatten. Dann legten sie eine Rangliste an, die zeigen soll, welche Nutzer zur Verbreitung einer bestimmten Webseite am meisten beigetragen hatten.

Millionen von Twitter-Nachrichten durchforstet

Zu diesem Zweck durchforsteten die Wissenschaftler Millionen von Twitter-Nachrichten nach darin genannten Webseiten-Adressen und diese wiederum nach Korrelationen und Mustern. „Eine ziemlich haarige Angelegenheit“, sagt Gummadi. Selbst große Rechneranlagen stoßen bei derartigen Aufgaben an die Grenzen ihrer Kapazitäten.

Nun liegt der Einwand nahe, dass man genauso wenig vom Verhalten in Online-Netzwerken wie Twitter auf andere soziale Phänomene schließen kann wie von der Verbreitung von Viren auf soziale Epidemien. Strikt betrachtet stimmt das. Andererseits helfen gerade die Analysen von sozialen Medien, ein Gespür dafür zu entwickeln, welche Feinheiten entscheidende Unterschiede machen können – sowohl online als auch auf der Straße.

So etwa hat die Studie eines Teams um Jure Leskovec von der Carnegie Mellon University ergeben, dass auf der in den USA populären Produkt-Empfehlungsseite Epinion die meisten Empfehlungsketten nach wenigen Schritten im Nichts enden – was per se erst einmal eine schlechte Voraussetzung für die Verbreitung von sozialen Epidemien ist. Anders verhält es sich bei der Fotoseite Flickr, mit der sich eine Vorgängerstudie von Gummadis Twitter-Analyse befasst. „Die meisten Bilder finden hier keine große Verbreitung“, fasst Krishna Gummadi das Ergebnis zusammen. „Einige wenige Superstars unter den Fotos machen einen Großteil der Empfehlungen aus.“ Hier liegen die Voraussetzungen für Epidemien also günstiger.

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Ralf Grötker / MaxPlanckForschung
Stand: 11.03.2011

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Inhalt des Dossiers

Das Echo des digitalen Gezwitschers
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Influentials im Visier
Alte und neue Studien zu sozialen Netzwerken

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