Technik

Infrastruktur im Visier

Wie zerstört man eine unterseeische Datenleitung?

Wie gefährdet sind die Schlagadern unserer digitalen Kommunikation durch politisch oder terroristisch motivierte Akte? Bisher war den meisten Menschen und auch vielen Behörden kaum bewusst, dass ein Teil unserer kritischen Infrastruktur am Grund der Meere liegt. Erst die Sabotage der Nordstream-Gaspipelines in der Ostsee im September 2022 rückte diese Tatsache in das öffentliche und politische Bewusstsein.

Glasfaser-Reparatur
Verspleißen einer durchtrennten Glasfaser in einem speziell dafür ausgelegten Gerät. © nengredeye/ Getty images

Aus den Augen, aus dem Sinn?

„Teilweise liegt dies daran, dass diese Infrastruktur unsichtbar ist“, erklären Jonas Franken von der TU Darmstadt und seine Kollegen in ihrem Hintergrundbericht für das EU-Parlament. „Es gibt eine generelle Neigung dazu, dem Geschehen auf See wenig Beachtung zu schenken – ein Phänomen, das auch als kollektive Seeblindheit beschrieben wurde.“ Hinzu kommt: Bei den Unterseekabeln hat man sich lange darauf verlassen, dass der größte Teil dieser Leitungen in der Tiefsee verläuft und dass ihre Lage nur grob auf Seekarten vermerkt ist. „Sie gezielt anzugreifen ist daher schwieriger“, so die Forscher.

Im Küstenbereich ist dies jedoch anders: Hier ist der Verlauf der Kabel in Navigationskarten genau dokumentiert, um Unfälle durch Ankerungen und Schleppnetze zu vermeiden. Ein mutwilliger Angriff wäre daher gut planbar und wegen der geringen Wassertiefe vergleichsweise leicht. Andererseits lassen sich Schäden an küstennahen Kabeln relativ schnell und leicht reparieren, während Schäden an Tiefseekabeln deutlich langwieriger, weil komplizierter zu beheben sind. Erst muss der genaue Ort des Schadens gefunden werden und dann bringt ein Tauchroboter die beschädigten Enden des Kabels an die Oberfläche. Dort müssen die einzelnen beschädigten Glasfasern von Hand wieder miteinander verbunden werden – dies kann im Extremfall Wochen dauern.

Durchreißen, Sprengen oder Durchtrennen

Durch welche Mittel sich ein Unterseekabel zerstören lässt, haben Franken und sein Team in ihrem Bericht genauer analysiert. Der einfachste Weg erfordert demnach weder besondere Fähigkeiten noch Technologien: „Man kann einfach ein ziviles Schiff, wie Fischerboote, Frachter, Freizeitjachten oder Forschungsschiffe als Waffe nutzen und das Kabel mit improvisierten Mitteln wie dem Anker oder Schleppeinrichtungen durchtrennen“, so die Wissenschaftler.

Eine zweite Methode wäre die Sprengung durch Minen oder improvisierte, ferngezündete Sprengsätze. „Letztere sind einfach und billig herzustellen“, erklären Franken und seine Kollegen. Zudem benötigen die spröden Glasfasern nur geringe Sprengkraft, um zu brechen. Eine dritte Sabotage-Möglichkeit ist der Einsatz von ferngesteuerten oder bemannten Tauchbooten oder Drohnen. „Diese Technologie ist in der Tauchbranche zunehmend verbreitet und auch kriminelle Organisationen haben solche tauchfähigen Systeme schon für Schmuggeloperationen konstruiert und eingesetzt“, berichten die Forscher. Diese Systeme könnten Sprengsätze platzieren oder das Kabel einfach durchknipsen.

Insgesamt kommen die Experten zu dem Schluss, dass ein Angriff auf Unterseekabel keineswegs nur für das Militär oder andere Organisationen mit spezialisiertem Wissen und Hightech-Ausrüstung möglich ist. „Angriffe auf die Kabel-Infrastruktur können Low-Cost-Operationen sein, die nicht unbedingt High-End-Fähigkeiten erfordern“, erklären sie.

Kabellandestation
Kaum gesichert: Landestation des aus Finnland durch die Ostsee nach Deutschland ziehenden Unterseekabels C-Lion1 in Rostock. © Dirk1981/ CC-by-sa

Landestationen als neuralgischer Punkt

Dies gilt umso mehr, wenn man nicht die Unterseekabel selbst angreift, sondern ihre Anlandungsstationen. Diese an den Enden der Unterseekabel liegenden Anlagen sind wichtige Umschaltstellen, in denen der durch die unterseeische Leitung ankommende Datenverkehr in ein oder mehrere landbasierte Backbone-Leitungen übertragen wird. Diese Landestationen sind zwar durch Zäune und Sicherheitsanlagen geschützt, aber dennoch deutlich anfälliger als die unterseeischen Leitungen.

Dieses Risiko zeigte im Jahr 2017 auch ein Report des britischen Thinktanks Policy Exchange auf: „Die Kabel-Landestationen haben oft nur minimalen Schutz, das macht sie anfällig für Terrorismus“, warnte der Abgeordnete und Autor des Berichts Rishi Sunak. Ähnlich sehen es auch Franken und seine Kollegen: „Angriffsszenarien reichen vom einfachen Kappen der Stromversorgung über die Zündung improvisierter Bomben bis zu einem Raketenangriff.“ Hinzu kommt, dass einige Landestationen inzwischen keine menschliche Besatzung mehr haben, sondern nur noch ferngesteuert laufen.

Trotz dieser Szenarien und Risiken: Bisher ist kein gezielter Angriff oder Sabotageakt durch politische kriminelle Akteure auf ein Unterseekabel bekannt. Das aber bedeutet nicht, dass dies auch so bleibt…

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Angriffsziel Unterseekabel
Wie gefährdet ist die kritische Infrastruktur des globalen Datennetzes?

Adern der globalen Kommunikation
Das Netz der Unterseekabel und seine Bedeutung

Gekappt und pulverisiert
Ursachen für Kabelbrüche und die Folgen

Infrastruktur im Visier
Wie zerstört man eine unterseeische Datenleitung?

Was wären die Folgen?
…und von wem droht die größte Gefahr?

Manipulation und Spionage
Gefahren drohen auch ohne Sprengsätze und Taucher

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