Physik

Ins dunkle Universum

Der LHC und die Dunkle Materie

Der LHC könnte in den nächsten Jahren auch neues Licht in die buchstäblich dunkle Seite unseres Universums bringen. Denn der größte Teil des Kosmos besteht nicht aus normaler Materie, sondern ist von exotischen Phänomenen erfüllt. „95 Prozent des Universums verstehen wir nicht, denn das sind Dunkle Materie und Dunkle Energie“, sagt Fabiola Gianotti, Physikerin am CERN und ab 2016 Nachfolgerin des CERN-Generaldirektor Rolf Heuer.

Dunkle Materie kann nur indirekt nachgewiesen werden, wie hier durch Massenkonzentration in einem Galaxiencluster (blau). Grüne Gebiete zeigen Gaswolken, orange das Licht von Sternen. © NASA, ESA, CFHT, CXO, Jee/ UC Davis, Mahdavi / SF STate University

Auch das Standardmodell der Physik hilft hier nicht weiter: „Wir haben eine Theorie, die wunderbar all die normale, sichtbare Materie beschreibt, die uns umgibt“, erklärt James Gillies vom CERN. „Das Problem ist nur, dass diese nur rund fünf Prozent des Universums ausmacht.“ Die Dunkle Materie und Energie kommen bisher im Modell nicht vor.

„Keines der bekannten Elementarteilchen“

Obwohl rund ein Viertel unseres Universums aus Dunkler Materie besteht, ist sie noch immer die große Unbekannte. Denn sie ist unsichtbar und tritt nur über ihre Schwerkraft mit der normalen Materie in Wechselwirkung. Woraus sie besteht und welche Eigenschaften sie hat, ist daher bisher unbekannt. „Wir wissen nur, dass sie aus keinem der bekannten Elementarteilchen bestehen kann“, erklärt der Kosmologe Michael Turner von der University of Chicago.

Einer gängigen Theorie nach könnte die Dunkle Materie aus einer noch unbekannten, exotischen Teilchensorte bestehen, den sogenannten WIMPs (Weakly Interacting Massive Particles). Noch allerdings konnten sie nicht nachgewiesen werden. Hier hoffen die Physiker auf die zweite Laufzeit des LHC. Denn den Modellen nach könnten die Teilchen der Dunklen Materie gerade leicht genug sein, um bei den Protonenkollisionen erzeugt zu werden.

Diese Grafik zeigt ein Kollisionsereignis im ATLAS-Detektor, bei dem eine Energielücke auftrat (rosa Linie). SO etwas kann, muss aber nicht die Existenz von Teilchen anzigen, die nicht mit dem Detektor interagieren, darunter Dunkle MAterie, Neutrinos oder Gravitons. © Pauline Gagnon / ATLAS Collaboration/CERN

Verräterische Abweichung

Sowohl der CMS-Detektor als auch der ATLAS-Detektor sind theoretisch in der Lage, solche WIMPs nachzuweisen – allerdings nicht direkt. Denn ähnlich wie bei den Gravitonen würden sie sich vor allem dadurch verraten, dass in den Teilchenjets und der Energieabstrahlung etwas fehlt. Das Problem dabei ist allerdings, dass solche Ungleichgewichte auch durch andere Zerfälle verursacht werden können, darunter den Zerfall von einem Z-Boson in zwei Neutrinos.

Es muss daher ziemlich genau zurückverfolgt werden, ob nicht einer der bekannten Kandidaten am Anfang der Zerfallskette stand. Zumindest in der ersten Laufzeit des LHC gab es tatsächlich einige solcher „verdächtiger“ Zerfälle. „Unglücklicherweise haben wir aber in den bisher untersuchten Kanälen nichts gefunden, das über das hinausgeht, das wir vom Hintergrund erwarten – also über die bisher bekannten Zerfallsformen, die ähnliche Signaturen hervorrufen“, erklärt CERN-Physikerin Pauline Gagnon im Blog Quantum Diaries.

Blick in den geöffneten ATLAS-Detektor während des Long Shutdown © Claudia Marcelloni De Oliveira / CERN

Hilfe vom Higgs

Möglicherweise könnte sogar das Higgs-Boson dabei helfen, die lange gesuchten Teilchen der Dunklen Materie ausfindig zu machen. Denn einigen Theorien nach kann das Higgs unter bestimmten Umständen in solche Partikel zerfallen. In den Detektoren des LHC wären dann nur die Zerfallsprodukte eines Z-Bosons zu sehen, das zusammen mit dem Higgs bei den Kollisionen entstehen kann. Die vom Higgs-Boson erzeugten Dunkle Materie-Teilchen verraten sich wieder nur indirekt, über fehlende Energie. „Bisher haben die Suchen nach solchen Zerfällen aber nichts ergeben, was über den erwarteten Hintergrund-Niveaus liegt“, so Gagnon.

Doch das könnte sich mit der zweiten Laufzeit des LHC ändern. Denn durch seine höhere Energie dringt er in Bereiche vor, in denen bei den Kollisionen Teilchen der Masse entstehen könnten, wie sie unter anderem für die WIMPs vorhergesagt sind. Die zahlreicheren Kollisionen sorgen zudem dafür, dass auch sehr viel mehr Daten anfallen – und damit auch die Chance, Ereignisse einzufangen, die bisher zu selten waren, um als Auffälligkeit herauszustechen.

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Nadja Podbregar
Stand: 10.04.2015

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