Herr Prof. Feuerbacher, warum wollen die Wissenschaftler unbedingt einen Kometen untersuchen?
Berndt Feuerbacher: Kometen sind so etwas wie „Leitfossilien“ in unserem Sonnensystem. Sie sind zusammen mit der Sonne und den Planeten vor 4,5 Milliarden Jahren entstanden, haben sich aber im Unterschied zu diesen seither fast nicht verändert. Kometen befinden sich in einer Art „kosmischem Kühlschrank“ am äußersten Rand unseres Sonnensystems, bei Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt. Ab und zu wird so ein Brocken in die Nähe der Sonne abgelenkt. Dann haben wir die seltene Möglichkeit, ihn zu besuchen und damit neuartige Informationen aus der Entstehungsgeschichte des Planetensystems zu erhalten.
Wie muss man sich einen Kometen vorstellen?
Feuerbacher: Kometen sind riesige schmutzige Schneebälle. Sie bestehen aus Eis und verschiedenen gefrorenen Gasen, die mit staubartigen Partikeln vermischt sind. Kometen haben einen festen Kern von ein paar Kilometer Größe, den man von der Erde aus aber nicht sehen kann. Der sichtbare Schweif besteht aus Gas und Staub, dem Material, das der Komet beim Vorbeiflug an der Sonne durch die Erwärmung verliert und das durch den Sonnenwind weggeblasen wird.
Warum dauert die Reise zu dem Kometen so lange? Konnte man sich keinen Näheren aussuchen?
Feuerbacher: Wir wollen den Kometen weit weg von der Sonne erreichen, wenn er noch keinen Schweif entwickelt hat, also inaktiv ist und damit eine sichere Landung ermöglicht. Selbst mit den stärksten verfügbaren Raketen können wir nicht direkt dahin schießen. Man wendet deshalb einen Trick an: Bei einem nahen Vorbeiflug an Mars oder Erde nimmt man Schwung vom Umlauf des Planeten um die Sonne mit, um die Bahn der Sonde auszuweiten. Zum Kometen Churyumov-Gerasimenko, unserem Ziel, brauchen wir vier solche Swingby-Manöver, eines am Mars und drei an der Erde. Unterwegs nimmt man noch die Möglichkeit wahr, sich zwei Asteroiden anzusehen.
Was sind die Hauptaufgaben der europäischen Kometen-Mission Rosetta?
Feuerbacher: Rosetta ist die erste Mission zur genauen Untersuchung eines Kometen. Das Mutterschiff, der Orbiter, wird auf eine Umlaufbahn um den Kometen einschwenken und ihn aus der Nähe, aus Abständen von ein bis zehn Kilometer, durch seine Instrumente beobachten. Dabei wird der Kern mit Kameras und Spektrometern über den gesamten Wellenlängenbereich vom ultravioletten Licht bis zu den Mikrowellen beobachtet, gleichzeitig werden emittierter Staub und Gase gemessen, ebenso die Plasma-Umgebung und die Wechselwirkung mit dem Sonnenwind.
Nach einer sorgfältigen Charakterisierung des Kometen wird der Lander abgesetzt. Er bringt zehn wissenschaftliche Instrumente auf die Oberfläche. Kameras werden die Umgebung dokumentieren, mit einem Bohrer werden Materialproben unter der Oberfläche gewonnen und in Massenspektrometern oder Gaschromatographen analysiert, um das ursprüngliche Material unseres Sonnensystems zu charakterisieren. Das Innere des Kometenkerns wird mit einem Penetrator, mit Ultraschall und Mikrowellen-Tomographie untersucht. Etwa sechs Monate lang werden Orbiter und Lander mit dem Kometen zur Sonne reisen und die Veränderungen durch die erhöhte Einstrahlung, also z.B. die Schweifbildung, beobachten.
Wie kommt die Mission zu ihrem Namen Rosetta?
Feuerbacher: Der Name leitet sich ab vom Rosetta-Stein, der heute im Britischen Museum in London steht. Auf ihm befindet sich eine Inschrift in den drei Sprachen Griechisch, Demotisch und in Hieroglyphen. Mit Hilfe dieses Steins gelang es dem französischen Wissenschaftler Jean-Francois Champollion im Jahr 1822, die Hieroglyphen zu entziffern und damit den Zugang zur altägyptischen Hochkultur zu erschließen. In ähnlicher Weise erhofft man, dass die Rosetta-Mission neue Informationen zur Entschlüsselung der Entstehungsgeschichte unseres Sonnensystems erbringt.
Woher stammt der Name der Landeeinheit Philae?
Feuerbacher: Der Rosetta-Stein war nicht der einzige Schlüssel, der zur Entzifferung der Hieroglyphen führte. Auf dem Philae-Obelisken, benannt nach dem Fundort, einer Nilinsel südlich von Luxor, wurden die Königskartuschen von Ptolemäus und Kleopatra entdeckt. Mit deren Hilfe fand Champollion heraus, dass die Hieroglyphen nicht wie vermutet eine mystische Bildersprache, sondern eine phonetische Schrift sind.
Stand: 25.02.2004