Der Norweger Torgeir Higraff ist der Expeditionsleiter von Kon Tiki 2 – und schon sein Leben lang fasziniert von Thor Heyerdahl, Flößen und prähistorischen Ozeanüberquerungen. Der Journalist und Lehrer hat bereits 2006 die Reise Heyerdahls auf der Kon-Tiki von Peru nach Polynesien im Rahmen der Tangaroa-Expedition nachvollzogen. Higraffs Floß war dabei sogar noch schneller als das von Heyerdahl. Aber warum jetzt noch eine Kon-Tiki 2-Fahrt?
Warum eine Kon Tiki2-Expedition?
Higraff: Um die menschlichen Wanderungsbewegungen im Pazifikraum zu verstehen, müssen wir wissen, ob solche Seefahrten überhaupt möglich gewesen sind. Zwar hat Thor Heyerdahl erfolgreich demonstriert, dass Strömungen früher oder später ein Floß von Südamerika ins tropische Polynesien bringen.
Aber um ein spezifisches Ziel anzusteuern wie die Osterinsel, müssen die südamerikanischen Seefahrer effektive Steuerungs- und Takelage-Systeme genutzt haben – und dann auch noch gegen den Wind den Weg zurück nach Hause gefunden haben. Es ist daher höchste Zeit zu zeigen, wie fortgeschritten diese Flöße schon waren – sie konnten weit mehr als nur mit der Strömung zu treiben.
Warum ist das wichtig?
Higraff: Heute ist die entscheidende Frage nicht mehr so sehr: „Gab es diesen Kontakt?“ sondern „Wer kontaktierte damals wen – und wie?“ Die Kon-Tiki 2 macht den frühen Pazifik zu einem Seeweg sowohl für die Polynesier als auch die präkolumbianischen Südamerikaner. Wir wissen, dass beide Kulturen Flöße besaßen, die Polynesier wahrscheinlich sogar ihr überlegenes Doppelkanu für die Erkundung und die Flöße für die Migration. Wir werden zeigen, wie die Polynesier nach Südamerika gelangten und wie die Südamerikaner den umgekehrten Weg fanden.
Was passiert während der Expedition?
Higraff: Die Balsaholz-Flöße und ihre Reise sind perfekte Plattformen, um Menschen auf das gewaltige Umweltproblem der Ozeane aufmerksam zu machen. Einige Thunfischarten und ein Viertel der Haie weltweit sind heute vom Aussterben bedroht. Die Überfischung ist die Hauptgefahr für diese Arten. Aber auch das Plastik im Meer ist eine Bedrohung.
Unsere Segelroute von der Osterinsel nach Südamerika ist gerade für Studien zur Wasserverschmutzung extrem interessant. Wir werden durch den Southern Pacific Garbage Patch segeln, der erst vor ein paar Jahren entdeckt wurde. Hier gibt es bisher nur wenige Daten zum marinen Plastikmüll. Und auch die Peru-Strömung ist noch nie zuvor in Bezug auf Plastikmüll und Mikroplastik-Verschmutzung kartiert worden.
Können wir Menschen des Digital-Zeitalters etwas lernen?
Higraff: Viele von uns nutzen im Alltag ganz selbstverständlich digitale Breitband-Kommunikation – aber was passiert, wenn man sechs Wochen lang nur mit einer extrem schmalen Bandbreite vorlieb nehmen muss? Denken Sie daran, dass die meisten Menschen auf unserem Planeten keinen Zugang zum Breitband-Internet haben. Wie lebt man und wie kann man trotzdem zu unserer digitalen Welt beitragen? Wir werden sehen.
Stand: 11.12.2015