Wer in Grönland überleben will, der muss sich an die rauen Klimabedingungen der Arktis anpassen – egal ob Mensch oder Tier. Doch gegen den rasanten Klimawandel scheinen die bisherigen Anpassungsstrategien nicht auszureichen. Denn das „ewige“ Eis schmilzt dahin und mit ihm verschwindet auch der Lebensraum der Inuit und vieler grönländischer Tierarten.
Eisbären ohne Eis?
Vor allem die Polarbären leiden unter dem eisfreien Meer. Ihnen schmilzt das Eis buchstäblich unter den Pfoten weg. Von April bis Mitte Juli müssen sie sich eigentlich eine gewaltige Fettschicht anfressen, um die eisfreien Sommermonate und die anschließende Winterruhe ohne Futter überleben zu können. In dieser Zeit gab es bislang genügend Packeis, das die Bären für ihre Jagd auf Robben benötigen. Dabei laufen die Tiere weite Strecken auf das zugefrorene Meer hinaus und warten an Wasserlöchern auf die auftauchenden „Leckerbissen“.
Doch durch die Erwärmung der Arktis verkürzt sich die Jagdperiode der Eisbären, denn das Eis beginnt schon früh im Jahr zu tauen. Für das größte an Land lebende Raubtier der Erde wird es somit immer schwieriger, das benötigte Gewicht zu erreichen. Bereits heute verhungert im Schnitt jedes zweite Jungtier in der immer länger werdenden eisfreien Zeit. Bewahrheiten sich die Klimaprognosen, so ist der riesige Jäger in freier Wildbahn wohl nicht mehr zu retten. Ohne Eis gibt es auch keine Eisbären.
Den Inuit fehlen die Robben
Doch mit dem Rückgang des Eises schwindet auch die Zahl der Robben, der wichtigsten Jagdbeute der grönländischen Ureinwohner. Denn sie benötigen das Eis als Rastplatz und als Kinderstube für ihren Nachwuchs. Die Jungtiere verharren dort so lange, bis sie gelernt haben, sich selbst zu ernähren und zu schwimmen. Die stetig wärmeren Winter tragen nun dazu bei, die Robben-Population erheblich zu reduzieren. Fehlt das Packeis, droht der Robbennachwuchs schlichtweg zu ertrinken.
Als Folge wandern große Anteile der grönländischen Bestände in den äußersten Norden ab. Sie folgen damit auch ihren Beutetieren, den Fischen, denen die südlicheren Gewässer bereits zu warm geworden sind. Den Inuit gelingt die Jagd auf die mittlerweile rar gewordenen Meeressäuger inzwischen immer seltener: „Manchmal sind wir tagelang unterwegs, ohne eine einzige Robbe zu erlegen“, berichtet der Inuit Lauritz Utuaq gegenüber dem NDR. „Viele von uns können sich das alles nicht mehr leisten und geben auf.“
Inuit-Kultur vor dem Untergang?
Ein Aussterben oder Abwandern von Eisbären und Robben stellt für die grönländischen Ureinwohner eine Katastrophe dar. Schon seit der Zeit ihrer ersten Vorfahren, die um das Jahr 2.500 vor Christus von Asien aus über die Beringstraße und Alaska nach Grönland einwanderten, leben die grönländischen Ureinwohner von dem, was die Natur ihnen zu bieten hat. Sie gehen auf die Jagd nach Eisbären und Robben, betreiben Fischfang, züchten Karibus und sammeln die Früchte der spärlichen Vegetation. Auch heute versuchen noch viele der rund 50.000 grönländischen Inuit dieser traditionellen Lebensweise treu zu bleiben.
Doch seit sich das Land ihrer Vorfahren verändert, ist nichts mehr wie früher. Wenn sie einst zur Robbenjagd auszogen, mussten sie auf die kurze Zeit im Jahr warten, in der die küstennahen Gewässer eisfrei waren. Heute wird diese Zeitspanne durch die wärmeren Winter immer größer. Das Meer ist häufiger befahrbar. Was sich zunächst so positiv anhört, ist für die Inuit aber kein Grund zur Freude. Denn was nutzt es ihnen, wenn sie das ganze Jahr auf das Meer hinausfahren können, es aber keine Eisbären und Robben mehr gibt, die sie jagen könnten?
Dies ist nicht nur eine Bedrohung für die Ernährung der Inuit, sondern für ihre gesamte Kultur und das soziale Gefüge der Gemeinschaft. Das Jagen und Fangen dieser Tier, sowie die gemeinschaftliche Aufteilung und Verarbeitung der Jagdbeute, ist der Lebensmittelpunkt dieses Volkes. Fällt er weg, so macht sich Langeweile breit und nicht selten greifen die einstigen Jäger aus Verzweiflung zum Alkohol. Eine andere Erwerbsmöglichkeit als die Jagd bietet sich meist nicht, denn die Arbeitslosenquote liegt schon heute bei über 70 Prozent.
Stand: 18.05.2007