Der deutsche Wald leidet nicht nur unter Hitze, Trockenheit und Bränden, diese klimabedingten Faktoren bringen auch weitere Bedrohungen mit sich. Denn wenn die Bäume ohnehin schon gestresst und geschwächt sind, macht sie dies auch anfälliger für Schädlinge und Krankheiten.
Versorgungsleitungen unterbrochen
Prominentestes Beispiel sind die Borkenkäfer (Scolytinae). Diese Rüsselkäfer fressen Gänge in das junge Holz oder den Rindenbast des Baumes und legen darin ihre Eier ab. Die sich entwickelnden Larven fressen sich dann weiter durch die Baumsubstanz, bis sie sich verpuppen, schlüpfen und sich dann ihrerseits einen Wirtsbaum suchen. Doch die Fraßgänge der Käfer zerstören das Leitgewebe des Baumes, durch das Wasser und Nährstoffe transportiert werden. Bei starkem Befall werden diese Leitungen komplett unterbrochen und der Baum stirbt ab.
Für die Wälder in Deutschland ist der Befall mit Borkenkäfern nichts Ungewöhnliches – schon früher hat es immer wieder Massenvermehrungen dieser Holzschädlinge gegeben, die dann nach einigen Monaten von selbst wieder abklangen. Meist reicht ein strenger Winter aus, um die Insekten soweit zu dezimieren, dass sich die Bäume erholen. Nadelbäume wie Fichten oder Kiefern produzieren zudem Harz und sekundäre Pflanzenstoffe, die die Käfer abschrecken und ihnen das Eindringen in die Rinde erschweren.
Schädlinge profitieren von milden Wintern und gestressten Bäumen
Das Problem jedoch: Ist der Winter mild, überleben mehr Borkenkäfer als sonst. Wird es noch dazu im Frühjahr schnell warm, beginnen sie früher als üblich aus ihren Winterquartieren in der Rinde auszufliegen. Genau das war in den letzten beiden Jahren der Fall. Dadurch konnten die Käfer statt der üblichen zwei sogar drei Generationen im Jahr entwickeln – entsprechend groß ist ihre Zahl.
Hinzu kommt, dass vor allem viele Fichten durch die anhaltende Trockenheit so geschwächt sind, dass sie kaum noch Harz produzieren. Die auf Fichten spezialisierten Borkenkäferarten wie der Buchdrucker (Ips typographus) oder der Kupferstecher (Pityogenes chalcographus) haben dadurch leichtes Spiel. Günstige Bruträume finden die Borkenkäfer zudem in dem vielen Totholz, das durch Winterstürme wie „Friederike“ und „Eberhard“ im Januar 2018 und März 2019 angefallen ist.
Doch in vielen Regionen fehlt es schlicht an Personal, um Totholz und befallene Bäume aus dem Wald zu schaffen. Vielerorts liegen deswegen noch große Mengen an umgestürzten Bäumen und abgefallenen Ästen in den Wäldern. In Thüringen sollen nun sogar das Technische Hilfswerk (THW) und die Bundeswehr den Waldbesitzern und Förstern beim Waldaufräumen zu Hilfe kommen.
40 Millionen Kubikmeter Holz zerstört
All dies zusammen hat dazu geführt, dass Deutschland nun schon im zweiten Jahr von einer Massenplage der Borkenkäfer heimgesucht wird. Einige Bundesländer, darunter Nordrhein-Westfalen und Sachsen, erlebten 2018 sogar die größten Borkenkäferkalamitäten seit Ende des Zweiten Weltkriegs. Der Befall trifft dabei längst nicht mehr nur Wirtschaftsforste und auf Holzertrag maximierte Fichten-Monokulturen, sondern auch Wälder in Nationalparks. Besonders groß sind die Schäden bereits in Harz, aber auch der Bayrische Wald und der Schwarzwald sind befallen.
Das Problem ist jedoch nicht auf Deutschland begrenzt. Auch in vielen Wäldern anderswo in Mitteleuropa und in Nordamerika zeigt sich ein ähnliches Bild: Gelichtete Kronen, vertrocknete Blätter und die verräterischen Gangmuster unter den Baumrinden zeugen von der massiven Borkenkäfer-Schwemme. Die Folgen sind enorm. Allein in Mitteleuropa waren die Käfer im Jahr 2018 für gut 40 Millionen Kubikmeter Schadholz verantwortlich, wie Forscher der Universität Würzburg berichten.
Kronenkiller und juckende Haare
Doch der Borkenkäfer sind nicht die einzigen Schädlinge, die von der Erwärmung und den gestressten Bäumen profitieren. Auch der ursprünglich aus dem Mittelmeerraum stammende Eichenprozessionspinner und der Eichenprachtkäfer breiten sich in deutschen Wäldern aus. „Bereits wenige der unter der Rinde fressenden Prachtkäferlarven genügen, um Teile der Eichenkrone oder den ganzen Baum zum Absterben zu bringen“, erklären Thomas Immler und Markus Blaschke von der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF).
Die haarigen Raupen der Eichenprozessionsspinner können bei einem Massenbefall nicht nur eine ganze Eiche kahlfressen, sie sind auch für uns Menschen gesundheitsgefährdend. Denn jede dieser Raupen trägt rund 500.000 giftige Brennhaare am Körper, die leicht abbrechen. Bei Berührung können sie juckende Hautausschläge verursachen. Werden Haarfragmente einatmet, kann dies Atemnot, Asthma oder sogar einen allergischen Schock auslösen. 2018 und 2019 mussten zahlreiche Waldgebiete, aber auch Parks und Gärten wegen eines Massenbefalls mit dem Eichenprozessionsspinner abgesperrt und die Bäume abgesaugt werden.