Und selbst über unsere eigenen Sinne sind hartnäckige Fehlinformationen im Umlauf. Ein berüchtigtes Beispiel sind die „Geschmackszonen“ auf der Zunge. Selbst viele Lehrbücher verbreiten noch, dass wir einzelne Geschmacksrichtungen nur in bestimmten Bereichen der Zunge wahrnehmen, Süßes beispielsweise auf der Zungenspitze und Bitteres eher im Rachenbereich.
Doch diese Darstellung ist falsch: Sie basiert auf einer Übersetzung, die wiederum auf einer ungenauen wissenschaftlichen Veröffentlichung beruht. Der deutsche Forscher Daniel Hänig hatte bereits 1901 untersucht, ob verschiedene Bereiche der Zunge unterschiedlich stark auf verschiedene Geschmacksempfindungen ansprechen. Dabei hatte er in der Tat Unterschiede festgestellt: Einzelne „Zonen“ unserer Zunge schmecken manche Geschmäcker intensiver als andere.
Verbreiteter Irrtum durch irreführende Daten
Doch das bedeutet nicht, dass der jeweilige Geschmack außerhalb dieser Zonen gar nicht mehr wahrnehmbar ist. Hänig veröffentlichte seine Daten jedoch so irreführend, dass sie genau diesen falschen Eindruck erweckten. Viele Wissenschaftler weltweit verfielen diesem Irrtum, so auch der US-Amerikaner Edwin Boring, als er im Jahr 1942 Hänigs Arbeit übersetzte und neu auswertete. Diese Übersetzung trug maßgeblich zur Popularität der falschen Idee bei.
Wissenschaftlich sind die Geschmackszonen längst eindeutig widerlegt: Rezeptoren für alle Geschmacksrichtungen kommen auf der ganzen Zunge vor. Allerdings sind sie unregelmäßig verteilt. Hinzu kommt, dass die ursprüngliche Idee der Geschmackszonen von nur vier Geschmacksrichtungen ausging: Süß, sauer, salzig und bitter.
Mittlerweile ist jedoch bekannt, dass wir Menschen noch mindestens einen weiteren Geschmack wahrnehmen können, nämlich das fleischig-würzige umami. Außerdem gibt es Hinweise, dass auch Fette einen eigenen Geschmack haben könnten. Für diese zusätzlichen Geschmacksrichtungen fehlt in der Karte der Geschmackszonen der Platz.
Ansgar Kretschmer
Stand: 15.01.2016