Am 6. Juni 1980 sorgen Luis und Walter Alvarez für eine weltweite Sensation. Denn gemeinsam mit zwei weiteren Forschern machen sie nun ihre Theorie von einem urzeitlichen Asteroiden-Einschlag öffentlich – und das auf keiner geringeren Plattform als dem renommierten Fachjournal „Science“.
Unter dem Titel „Extraterrestrial Cause for the Cretaceous-Tertiary Extinction“ rollen sie den „Kriminalfall“ K/T-Grenze noch einmal von Anfang an auf. Sie erklären ihre Funde und führen Indizien für einen außerirdischen Ursprung, aber gegen eine Supernova auf. Dann, gegen Schluss des Artikels, kommt der Paukenschlag:
„Ein Asteroid traf die Erde“
„Wir haben festgestellt, dass ein Meteoriteneinschlag ein Szenario liefert, das die meisten, wenn nicht sogar alle biologischen und physikalischen Belege erklärt“, konstatieren die Forscher. „Oder kurz gesagt: Unserer Hypothese nach traf ein Asteroid die Erde, bildete einen Einschlagskrater und einiges des dabei ausgeschleuderten Materials erreichte die Stratosphäre und verteilte sich um den Globus.“ Dieser Staub verteilte das Iridium aus dem Asteroiden rund um die Welt.
Und auch wie groß dieser Asteroid damals gewesen sein könnte, haben Alvarez und seine Kollegen berechnet – mit gleich vier verschiedenen Methoden. Sie gehen dabei von den typischen Iridiumgehalten von Asteroiden und den in der K/T-Schicht gefundenen Iridium-Werte aus, ziehen Schlüsse aus den Daten von erdbahnkreuzenden Asteroiden und den irdischen Kratergrößen und nehmen sogar den Ausbruch des Vulkans Krakatau zum Vorbild, um die nötige Staubmenge auszurechnen. Ihr Fazit: Der Asteroid, dem die Dinosaurier und viele ihrer Zeitgenossen zum Opfer fielen, muss etwa zehn Kilometer groß gewesen sein.
„Jahrelange Dunkelheit“
Die Forscher erklären auch, wie der Impakt das Massenaussterben vor 65 Millionen Jahren verursacht haben könnte: „Der Staub verhinderte mehrere Jahre lang, dass das Sonnenlicht die Erdoberfläche erreichte“, schreiben Alvarez und Co. „Dieser Lichtverlust unterdrückte die Fotosynthese und als Konsequenz kollabierten die meisten Nahrungsketten und ein Massenaussterben folgte.“
In den Fossilien der K/T-Grenze lässt sich tatsächlich mancherorts ein deutlicher Bruch in der Pflanzenwelt beobachten: Die vorher dominierenden Blütenpflanzen- und Koniferenpollen fehlen in der Grenzschicht völlig, stattdessen finden sich fast ausschließlich Reste von Farnpflanzen. Heute geht man davon aus, dass der Einschlag des „Dinokillers“ die Erde mindestens mehrere Wochen lang in Dunkelheit hüllte und das Klima möglicherweise sogar über Jahre hinaus abkühlte.
Kosmische Boliden als Artenkiller?
Was heute als bewiesen gilt, ist zu Alvarez‘ Zeiten eine echte Sensation: „Die Leute dachten damals, das ist verrückt. Da hat einer eine blühende Fantasie und versucht jetzt, dafür Beweise herbeizuziehen“, beschreibt der Amsterdamer Geologe Jan Smit die Reaktionen. Verstärkt wird dies dadurch, dass Alvarez und Co auch für die anderen vier großen Massenaussterben nun Meteoriten verantwortlich machen.
„Wenn die K/T-Aussterben durch ein Impaktereignis verursacht wurden, dann könnte das gleiche auch für frühere Massenaussterben gelten“, postulieren sie in ihrem Artikel. „Dies würde gut zu der Wahrscheinlichkeit für den Einschlag eines zehn-Kilometer-Objekts passen.“ Denn ein solcher Impakt kommt theoretisch einmal alle 100 Millionen Jahre vor – und das passt ziemlich gut zum Abstand der fünf großen Extinktionen.
So plausibel das Szenario von Alvarez und Co auch ist – es hat eine entscheidende Schwäche. Denn der wichtigste Beweis für einen Einschlag fehlt: der Krater. Oder übersetzt in unseren Kriminalfall: Der genaue Tatort und Tathergang sind noch offen. Und noch ist nicht einmal klar, wo man anfangen soll, danach zu suchen.
Nadja Podbregar
Stand: 11.09.2015