Warum ist Lesen eigentlich so schwierig? Erwachsene vergessen häufig, dass Lesen alles andere als selbstverständlich ist. Für sie ist es eine hoch automatisierte Fähigkeit, die selbstständig und ohne große Anstrengung ausgeführt wird. In der Tat können Erwachsene „nicht nicht lesen“.
Wenn GRÜN nicht grün ist
Ein bekanntes Beispiel hierfür ist der sogenannte Stroop-Effekt. Hier werden Personen Wörter gezeigt, die in unterschiedlichen Farben gedruckt sind. Die Aufgabe der Probanden ist es, so schnell wie möglich die Farbe der Wörter zu benennen. Entscheidend ist nun, dass einige der Wörter selbst Farbwörter sind. Stimmt die Farbe und die Bedeutung eines Wortes überein, das heißt, wenn beispielsweise GRÜN in grün geschrieben ist, dann fällt uns die Antwort eher leicht.
Wenn sich die beiden Bedeutungen aber widersprechen, das heißt, wenn beispielsweise GRÜN in rot geschrieben ist, dann können Erwachsene die Wortbedeutung kaum ignorieren. Es fällt ihnen deswegen schwer, in diesem Beispiel „rot“ zu antworten. Offensichtlich lesen wir unbewusst und automatisch das Wort mit, obwohl dies für die Farbbenennung nicht notwendig, sondern hinderlich ist.
Schwieriger als wir uns bewusst sind
Das war jedoch nicht immer so. Auch Erwachsene mussten sich das Lesen einmal mühevoll Wort für Wort erarbeiten. Manchmal wird ihnen das klar, wenn sie in einer Fremdsprache vorlesen sollen: Wie wird das englische Wort „examine“ noch einmal ausgesprochen? Ist beim französischen Wort „petite“ das letzte „e“ nun stumm oder nicht? Und wie wird „Spaghetti“ geschrieben? Vor solchen Fragen stehen Kinder, die gerade Lesen und Schreiben lernen, jeden Tag!
Dr. Sascha Schroeder / Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, Berlin
Stand: 06.03.2015