Die Kernfusion wird gerne als saubere Lösung für das Energieproblem verkauft. Fakt ist allerdings, dass auch ITER noch weit davon entfernt sein wird, mehr Energie zu erzeugen als die gesamte Anlage verbraucht. Zwar soll sein Plasma zehnmal mehr Wärmeenergie abgeben als für die externe Heizung aufgewendet werden muss. Aber der Energiebedarf für die restlichen Anlagen ist ebenfalls enorm.
Zu spät für den Klimaschutz
Nach Angaben des ITER-Konsortiums wird die gesamte Anlage im Normalbetrieb rund 110 Megawatt Strom benötigen. Während der Fusionsphasen des Plasmas steigt dieser Strombedarf kurzzeitig auf bis zu 620 Megawatt – gut die Hälfte dessen, was ein ganzes Kernkraftwerk an Strom erzeugt. Laut ITER wird dieser Strom aus dem öffentlichen Netz bezogen und soll dank entsprechender Abstimmung mit den französischen Stromerzeugern keine Störungen verursachen.
Klar ist aber auch, dass ITER damit alles andere als ein „Klimaretter“ ist. Das ist auch den am Projekt Beteiligten klar. Sie betonen, dass die Kernfusion in den nächsten Jahren und Jahrzehnten noch im Erprobungsstadium ist und keinen unmittelbaren Beitrag zur Energiegewinnung leisten wird. „Bis zu einer kommerziellen Nutzung der Fusion wird es noch bis mindestens Mitte dieses Jahrhunderts dauern“, heißt es auf der ITER-Website. Und sollte der Fusionsforschung vorher der Finanzhahn zugedreht werden, könnte es noch länger dauern.
Das aber bedeutet, dass die Kernfusion in der Phase, bis zum Jahr 2050 in der die Energieproduktion komplett von den fossilen Brennstoffen auf klimafreundliche Technologien umgestellt werden muss, nicht zur Verfügung stehen wird. Stattdessen tragen die Testreaktoren wegen ihres hohen Strombedarfs eher dazu bei, den Stromverbrauch zu erhöhen.
So viel Wasser wie eine Kleinstadt
Ebenfalls erheblich ist der Wasserverbrauch der Anlage, der größte Teil wird für die Kühlung des Reaktors benötigt: Pro Jahr wird ITER rund drei Millionen Kubikmeter Wasser verbrauchen – das entspricht dem Wasserverbrauch einer Stadt mit rund 200.000 Einwohnern. Das Wasser wird dafür aus dem nahen Canal de Provence entnommen und durch Tunnel in die Anlage geleitet.
„Das Wasservolumen für ITER entspricht nur einem Prozent der gesamten von diesem Kanal transportierten Wassermenge“, betonen die Betreiber. Zudem werde ein Teil dieses Wassers wieder zurückgeleitet. Wie aber die Restwärme die lokalen Ökosysteme im Kanal beeinflussen wird und ob das Wasser auch in Trockenzeiten ausreicht, wird sich zeigen müssen.
Und die Radioaktivität?
Immerhin einen Vorteil hat die Fusionsenergie: Im Gegensatz zur Atomkraft ist bei ihr eine Reaktorkatastrophe wie bei Tschernobyl oder Fukushima unmöglich. Weil die Kernfusion im ITER-Plasma nur so lange anhält, wie externe Heizung und Magnete die nötige Energie zuführen, gibt es keine Kettenreaktion wie bei der Kernspaltung. „Es ist schwer genug, die Bedingungen für die Fusion zu erreichen und aufrechtzuerhalten. Sobald sich irgendeine Störung ereignet – das Plasma wird zu warm oder zu kalt, es gibt zu wenig oder zu viel Brennstoff, das Plasma ist kontaminiert oder die Magnetfelder sind nicht optimal – stoppt die Reaktion innerhalb von Sekunden“, erklärt das ITER-Konsortium.
Ebenfalls eher gering ist die Radioaktivität. Anders als in Kernreaktoren gibt es keine hochradioaktiven Nuklide wie Uran oder Plutonium. Im Fusionsreaktor sind die Hauptquellen der Strahlung das schwach radioaktive Tritium und die bei der Kernfusion freigesetzten schnellen Neutronen. Weil vom Tritium immer nur wenige Gramm auf einmal in Plasma enthalten sind und auch in der Tritium-Breeding-Testanlage nur geringe Mengen anfallen, soll sich die Belastung für due Umgebung und lokale Bevölkerung in Grenzen halten.
Abfälle vor allem kurzlebig und schwach radioaktiv
Nach Angaben des ITER-Projekts wäre die radioaktive Belastung selbst bei einem Leck oder einem Bruch der Schutzhüllen noch immer tausendmal niedriger als die normale Hintergrundbelastung. Höhere Werte hat allerdings das Material, das im Laufe des ITER-Betriebs durch den Beschuss mit schnellen Neutronen aktiviert wird. Laut Angaben des Konsortiums werden während der Betriebszeit des Fusionsreaktors rund 30.000 Tonnen kontaminierter Materialien anfallen, die sehr schwach, schwach oder mittelradioaktiv belastet sind.
Diese kontaminierten Abfälle werden auf dem ITER-Gelände in speziellen Anlagen nachbehandelt, verpackt und gelagert. „Weil die Halbwertszeit der meisten Radioisotope in diesen Abfällen weniger als zehn Jahre beträgt, wird die Radioaktivität dieses Materials innerhalb von 100 Jahren so weit abgesunken sein, dass sie recycelt werden können“, heißt es auf der ITER-Website.