Aber welche Folgen hätte ein Tsunami für die Küstenregionen im Mittelmeer? Das haben vor einigen Jahren Forscher um Achilleas Samaras von der Universität Bologna mithilfe von Modellsimulationen untersucht. „Die größte Wissenslücke bei der Modellierung von Tsunamis ist die Frage, was passiert, wenn die Tsunamiwellen sich der Küste nähern und ins Landesinnere vordringen“, erklärt Samaras. Denn das flachere Wasser und der Untergrund verändern die Energie und Form der Flutwellen und beeinflussen so, wie zerstörerisch sie sind.
Kreta und Sizilien im Vergleich
Für ihre Studie simulierten die Forscher unter anderem ein Seebeben der Magnitude 7 vor der Ostküste Siziliens und vor der Südküste von Kreta. „Wir simulieren die Entstehung eines Tsunamis, indem wir Verschiebungen durch Erdbeben entweder am Meeresgrund oder an der Oberfläche einbauen“, erklärt Samaras. „Das Modell simuliert dann, wie sich diese Störungen – die Tsunamiwellen – ausbreiten, wie sie sich in Küstennähe verändern und wie sie Küsten überfluten.“
Dabei zeigte sich, dass zwar in beiden Fällen ein Tsunami mit rund fünf Metern Fluthöhe entsteht, die konkreten Folgen für die Küstenregionen sind aber sehr unterschiedlich: Auf Kreta würden fast dreieinhalb Quadratkilometer Land überflutet, an der sizilianischen Küste wären es nur rund 0,6 Quadratkilometer.
„Daher sollte man nicht einfach annehmen, dass ein Tsunami, der bei Entstehung fünfmal stärker ist, auch automatisch eine fünfmal größere Fläche überschwemmen wird“, sagt Samaras. Stattdessen sind die möglichen Auswirkungen von vielen Faktoren wie dem Untergrund, der Topografie oder der Bebauung abhängig, die bei Modellsimulationen berücksichtigt werden müssen.
Frühwarnsysteme schlagen Alarm
Für die Länder im Mittelmeerraum sind all diese Modelle und Risikobewertungen Motivation genug, um sich auf den Ernstfall vorzubereiten: „Es existieren seit einigen Jahren nationale Warnzentren zum Beispiel in Frankreich, in Portugal oder in der Türkei, die die seismische Aktivität und die Meeresspiegel rund um die Uhr überwachen und gegebenenfalls Alarm auslösen“, erklärt Jörn Lauterjung vom GFZ.
Seit 2005 ist zudem ein von der UNESCO unterstütztes Tsunamiwarnsystem im Aufbau, das die Daten dieser nationalen Zentren zusammenführt und auswertet. Ein erster Kommunikationstest dieses Warnsystems für den Nord-Ost-Atlantik, das Mittelmeer und verbundene Meere (NEAMTWS) im August 2011 war erfolgreich. Allerdings liegen viele Verwerfungen und potenziellen Bebenherde so nah an den Küsten, dass nur wenig Vorwarnzeit bleibt. Bei einem Erdbeben im Marmarameer wäre der Tsunami schon fünf Minuten später in Istanbul, vom Hellenischen Inselbogen aus bräuchte eine Flutwellen nur zehn bis 15 Minuten bis Heraklion auf Kreta.
Hinzu kommt, dass solche Frühwarnsysteme bisher nur die Tsunamigefahr durch unterseeische Beben erkennen können. Doch gerade im Mittelmeerraum gibt es noch eine andere große Gefahrenquelle….