Was bringt Tiere dazu, die normalen, streng ritualisierten Regeln des innerartlichen Agressionsverhaltens wie den Kommentkampf zu sprengen, und zu Kannibalen zu mutieren? Zumal der kannibalische Akt selbst nicht ohne Risiken ist. Der Möchtegern-Kannibale könnte beispielsweise selbst auf einen hungrigen, übermächtigen Artgenossen treffen und zum Ein-Gang-Menü werden. Auch die Gefahr, sich bei der innerartlichen Schlemmerei einen bösen Infekt einzufangen, ist durchaus nicht von der Hand zu weisen.
Es müssen demnach schon wirklich gravierende Gründe vorhanden sein, damit es zum Kannibalismus kommt. Ein wichtige Rolle spielt bei vielen Arten sicher eine explosive Mischung aus Überbevölkerung und Hunger.
Molchart entwickelt Fraßinstrumente
So haben Forscher herausgefunden, dass beispielsweise der Anteil an Kannibalen bei Kaulquappen, die in winzigen, nährstoffenarmen, überbevölkerten Seen und Tümpeln leben, meist erstaunlich hoch ist. Manche Larven einer bestimmten Molchart bilden zu kannibalistischen Zwecken sogar spezielle „Fraßinstrumente“ aus, um die eigenen Verwandten besser verspeisen zu können. Die Tiere verbessern damit nicht nur ihre eigene Speisekarte, sie schaffen sich auf diese Weise gleichzeitig auch Mitbewerber bei der Partnersuche vom Hals.
US-Wissenschaftler haben bei der Untersuchung der Verhaltensweisen im Labor zudem festgestellt, dass vor allem dann Kannibalen entstehen, wenn sich Larven hauptsächlich unter Artgenossen aufhalten, die nicht eng mit ihnen verwandt sind. Der Vorteil liegt auf der Hand: Der Kannibalismus trägt in diesem Fall dazu bei, die Verbreitung eigener Gene zu fördern und die fremder soweit wie möglich einzuschränken.
Stand: 14.04.2001