Die eisigen Außenbereiche unseres Sonnensystems sind eine astronomische „Terra inkognita“. Lange Zeit wusste man nur, dass irgendwo dort draußen die Kometen ihren Ursprung haben müssen. Denn diese Flugbahnen dieser eisigen Brocken reichten weit über die Neptun-Umlaufbahn hinaus. Was aber dort draußen umherfliegt und ob es dort überhaupt noch Himmelskörper gibt, blieb lange unbekannt.
Woher kommen die kurzperiodischen Kometen?
Eine erste Idee zum Ursprungsort der Kometen veröffentlichte 1950 der niederländische Astronom Jan Hendrik Oort. Er vermutete, dass es am fernen äußersten Rand des Sonnensystems eine schalenförmige Zone geben müsse, die als Reservoir für Kometenkerne dient. Immer, wenn diese Wolke durch den Schwerkrafteinfluss interstellarer Gaswolken oder vorbeiziehender Sterne gestört wird, geraten einige dieser eisigen Brocken aus ihrer Bahn und werden zu periodischen Kometen., so seine Theorie.
Das Problem jedoch: Die von Oort postulierte Kugelwolke passt gut zu den Bahnen von langperiodischen Kometen, die eher zufällig verteilt und teilweise stark gegen die Planetenbahnen geneigt sind. Einige könnte sogar eine Art zweite Ekliptik bilden. Doch den Halleyschen Kometen und andere kurzperiodische Schweifsterne mit Umlaufzeiten von weniger als 200 Jahren kann die Oortsche Wolke nicht erklären.
Die Entdeckung des Kuipergürtels
Deshalb schlug 1951 der Astronom Gerard Kuiper eine alternative Lösung für diese Kometengruppe vor: Seiner Ansicht nach musste es ein zweites, näher an der Sonne liegendes Kometenreservoir geben, dass sich wie ein Ring aus eisigen Materietrümmern knapp jenseits der Bahnen von Neptun und Pluto erstreckt. Kurz zuvor hatte auch der irische Astronom Kenneth Edgeworth eine ähnliche Hypothese veröffentlicht. Auch er postulierte, dass die kurzperiodischen Kometen im transneptunischen Bereich jenseits von rund 30 astronomischen Einheiten ihre Ursprung haben.
Aber so plausibel diese Idee auch schien, beweisen ließ sie sich zunächst nicht. Denn kein Teleskop der Welt war leistungsfähig genug, um kleinere Himmelskörper in so großer Entfernung sichtbar zu machen. Dies gelang erst im Jahr 1992 den Astronomen David Jewitt und Janes Luu am Mauna-Kea-Observatorium dank eines Teleskops mit digitalem Bildsensor. Nach fünfjähriger Fahndung identifizierten sie in den Aufnahmen einen winzigen, schwachen Lichtpunkt – (15760) Albion, das erste transneptunische Objekt (TNO) aus dem Kuipergürtel.
Eisige Zwerge und Plutos Herabstufung
Seither haben Astronomen tausende weitere Objekte in diesem ringförmigen Reservoir entdeckt. Unter ihnen sind mehrere Zwergplaneten, die kaum kleiner sind als Pluto, darunter Eris, Sedna und Haumea, aber auch Kleinplaneten mit teils extrem exzentrischen und sonnenfernen Umlaufbahnen. Die Entdeckung einer ganzen Population großer Transneptunier war es auch, die Pluto im Jahr 2006 seinen Planetenstatus kostete – eine bis heute umstrittene Entscheidung der Internationalen Astronomischen Union. Seither ist Pluto nur noch einer von vielen Himmelskörpern im Kuipergürtel.
Doch wie groß der Kuipergürtel ist und wie viele Himmelskörper ihn bevölkern, ist bis heute unbekannt. Gängiger Annahme nach reicht diese Zone von knapp außerhalb der Neptunbahn bis zu 55 astronomischen Einheiten und geht dann allmählich in den inneren Rand der Oortschen Wolke über. Dieses eisige Reservoir wäre damit rund 20 Mal größer als der Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter und zwischen 20 und 200 Mal so massereich.
Viele offene Fragen
Bisher haben Astronomen fast nur größere Kuipergürtel-Objekte mit mehr als 100 Kilometer Durchmesser aufgespürt. Kleinere Brocken sind dagegen selbst mit den scharfen „Augen“ des Weltraumteleskops Hubble oder anderer Teleskope nicht sichtbar. Dass es sie überhaupt gibt, haben Forscher erst mithilfe von Okkultationen nachgewiesen. Dabei bewegt sich eines dieser Objekte direkt vor einem Stern vorbei und verdeckt ihn kurzzeitig.
2019 gelang es dadurch einem Astronomenteam erstmals, ein Kuipergürtel-Objekt von weniger als zehn Kilometer Durchmesser zu finden. Der Nachweis dieses nur 1,6 Kilometer kleinen Brockens belegt, dass es dort nicht nur Zwerg- und Kleinplaneten, sondern auch kleinere Objekte gibt. Wie hoch ihr Anteil ist, bleibt aber ebenso unbekannt wie die Gesamtmasse des Kuipergürtels. Modellen zufolge umfasst diese kaum mehr als ein Prozent der Erdmasse. Das aber wirft einige Fragen auf…