Jugend ist „in“. Dieses Motto gilt nicht nur in der Arbeitswelt, sondern auch für vieler Deutschen liebstes Kind: die Fußballnationalmannschaft. Gerade mal ein Durchschnittsalter von 25,40 Jahren weist die Truppe von Trainer Joachim Löw bei der WM 2010 auf. So wenig wie selten zuvor bei einem derartigen Großereignis. Zufall oder steckt mehr dahinter?
Verletzte und ausrangierte
Klar, da ist der verletzungsbedingte Ausfall des routinierten, fast 34-Jahre alten Mannschaftskapitäns Michael Ballack. Und auch die Ausmusterung gestandener, aber in die Jahre gekommener Nationalspieler wie dem Bremer Torsten Frings haben zu diesem Trend beigetragen. Hinzu kommt, dass die Juniorenfußballer des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) im Jahr 2008 viele Titel – Europameister U21 und U19 – gehamstert haben und deshalb zurzeit viele gute jüngere Profifußballer in Deutschland zur Verfügung stehen.
Doch es gibt noch einen weiteren Faktor, der diese Entwicklung möglicherweise entscheidend beeinflusst hat. Entdeckt haben ihn Wissenschaftler des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) im Jahr 2009: Auf eine kurze Formel gebracht, lautet das Ergebnis ihrer Studie: Die Aussicht vor einer Europa- oder Weltmeisterschaft ins Nationalteam berufen zu werden, spornt Fußballer zu besseren Leistungen an – vor allem Jüngere.
246 Profis im Visier
Auf die Spur dieser Erkenntnis brachte die ZEW-Forscher eine intensive Analyse der Bundesliga-Spielzeiten 2006/2007 und 2007/2008. Insgesamt 246 Profis nahmen sie in diesem Zeitraum ins Visier und untersuchten bei ihnen Leistungsmerkmale wie erzielte Tore, gewonnene Zweikämpfe oder Anzahl der angenommenen Pässe. Zu den getesteten Kickern gehörten einerseits junge und ältere Fußballer aus Ländern, die allesamt eine Qualifikation für die Europameisterschaft 2008 schaffen konnten. Als Kontrollgruppe fungierten Spieler aus Staaten, die keine Chance auf eine Teilnahme bei dieser Veranstaltung hatten.
Bei diesem sportlichen „Checkup“ kam zunächst heraus, dass Fußballer aller Altersgruppen, die bei ihrer Nationalelf als „Wackelkandidaten“ galten, in den Monaten vor der Europameisterschaft deutlich einsatzfreudiger waren als Stammspieler. Letztere ließen oft sogar in ihrer Leistung nach. Die Spieler auf Bewährung gaben mehr Torschüsse ab und gewannen auch mehr Zweikämpfe als ihre etablierten Kollegen.
Die Gründe dafür liegen nach Ansicht der Wissenschaftler auf der Hand: „Leistung auf dem Platz zu zeigen, lohnt sich also am meisten für die Sportler, deren Nominierung ungewiss ist, da sie die Nominierungsentscheidung weitgehend selbst in der Hand haben. […] Spieler, deren Nominierung sicher ist, halten sich sogar eher zurück, um Verletzungen zu vermeiden und damit ihre Teilnahme am Wettbewerb nicht zu gefährden.“
Mehr Motivation, mehr Ballkontakte
Besonders auffällig war der Anreiz Nationalelf nach Angaben der Forscher jedoch bei den jüngeren Profis um die 20. Sie waren laut der Studie viel aktiver ins Spiel ihrer Bundesligamannschaft mit einbezogen. Sie hatten beispielsweise durchschnittlich 4,5 Ballkontakte mehr als ihre Altersgenossen in der Kontrollgruppe oder Spieler um die 30 mit Nationalmannschaftsambitionen.
„Dies zeigt, dass die Teilnahme an einem internationalen Turnier für die zukünftige Karriere eines jungen Spielers von größerer Bedeutung ist als für die Karriere eines älteren Spielers, der möglicherweise schon auf das Ende seiner aktiven Zeit zusteuert“, so das Fazit der Forscher.
Dieter Lohmann
Stand: 11.06.2010