Die Debatte um Hybriden nimmt auch politische Dimensionen an. Wenn es zum Beispiel darum geht, ob hybride Tiere in freier Wildbahn unter Schutz gestellt oder sogar gezielt zur Jagd freigegeben werden sollten. Allerdings gibt es darauf keine eindeutige, universelle Antwort. Für beide Varianten bestehen solide Argumente, doch nicht alle Hybriden-Konstellationen sind gleich. Sie müssen daher mit individuellen Maßstäben bewertet werden.
Was gegen Hybride spricht
Es gibt Hybride, die gehäuft unter gesundheitlichen Problemen und geringer Lebenserwartung leiden. Das trifft zum Beispiel auf einige gezielt in Gefangenschaft gezüchtete Hybride wie den Liger zu. Ein Beispiel aus der Natur sind Nachkommen von Regenbogen- und Cutthroat-Forelle, die im Flathead Basin in Montana vorkommen. Eine Studie hat enthüllt, dass diese Forellen-Kreuzungen genetisch weniger fit sind als ihre Eltern. Bekommen die Hybride ihrerseits Nachwuchs, ist dieser noch weniger überlebensfähig als sie selbst.
Doch die Hybride sind nicht immer die Hauptleidtragenden der Gen-Mischung. Diese Rolle gebührt stattdessen ihren Elternarten, vor allem wenn diese selten sind. Denn paart sich eine seltene Art zunehmend außerhalb ihrer eigenen Artgrenze, kann das ihr Aussterben rasant beschleunigen. Die Tiere stecken viel Energie in das Zeugen von gemischten Nachkommen, die dann aber entweder eine unfruchtbare Sackgasse darstellen oder durch weitere Hybridisierung den Genpool der seltenen Art kontaminieren.
„Hybridisierung kann mit bemerkenswerter Schnelligkeit zum Aussterben führen. Theoretische Arbeiten legen nahe, dass das Aussterben in nur fünf Generationen erfolgen kann“, erklärt Amanda Chunco von der Elon University in North Carolina. Schritt für Schritt könnten die Mischformen so die reinen Arten verdrängen und selbst zur häufigsten Art werden.
Manche Wissenschaftler schätzen, dass dies auch den Eisbären irgendwann den endgültigen Todesstoß versetzen könnte, wenn nämlich Grizzlys und Grizzly-Hybride zur dominanten Spezies der arktischen Küsten aufsteigen. Bei Kreuzungen zwischen Pazifischem Nordkaper, von dem es weniger als 1.000 Exemplare gibt, und dem zahlreicheren Grönlandwal bestehen ähnliche Befürchtungen.
Was für Hybride spricht
Auf der anderen Seite sind Hybridisierungen ein vollkommen natürlicher Prozess der Evolution, der schon immer eine entscheidende Rolle bei der Artentstehung und -veränderung gespielt hat. Sie ist eine wichtige Quelle evolutionärer Innovationen und vollzieht erheblich schneller Veränderungen im Genpool, als es eine Art allein jemals könnte. Das ermöglicht auch eine rasante Anpassung an die Herausforderungen des Klimawandels.
Verschiedene Erhebungen deuten darauf hin, dass einige Wildhybride deutlich robuster als ihre Eltern sind und deren vorteilhafte Anpassungen gegen den Klimawandel in sich vereinen. Da wären zum Beispiel die bereits genannten Cappuccino-Bären, die dank der gemischten Kiefermorphologie auf eine größere Bandbreite von Nahrungsquellen zugreifen können als Eisbären und somit auch abseits des Meereieses gut zurechtkommen. Ein weiteres Beispiel ist der Coywolf, der den kräftigen Schädel des Grauwolfs mit den Anschleich-Fähigkeiten des Kojoten vereint und so besser an die Jagd auf die in Nordamerika verbreiteten Weißwedelhirsche angepasst ist.
Die Hybridisierung zwischen Tigerschwalbenschwanz-Arten in Nordamerika sorgt außerdem dafür, dass die Schmetterlinge besser heiße Sommertage überstehen können. Die Tiere können bei hohen Temperaturen an schattigen Orten in einen Sommerschlaf fallen, aus dem sie an kühleren Tagen wieder erwachen. Korallen-Hybride können außerdem an Orten wachsen, an denen ihre Eltern nicht überleben könnten. Die Liste von Tieren, die durch Hybridisierung besser gegen den Klimawandel gewappnet sind als ihre Eltern, ist lang.
Doch nicht so „tödlich“?
Außerdem werden immer mehr Stimmen laut, die die Rolle von Hybriden bei der Beschleunigung des Artensterbens infrage stellen. So haben etwa David Draper von der Universität Lissabon und seine Kollegen kürzlich herausgefunden, dass Hybridisierung weit weniger für das Aussterben von Elternarten verantwortlich sein könnte als bislang angenommen. Ihre Auswertung der Roten Liste gefährdeter Arten der International Union for the Conservation of Nature (IUCN) ergab, dass nur bei elf von 959 ausgestorbenen Arten Hybridisierung als Grund für das Aussterben aufgeführt wird.
Bei den aktuell gefährdeten Arten wird Hybridisierung sogar nur in 0,8 Prozent der Fälle als Bedrohung angesehen. Dennoch steht Hybridisierung bei der IUCN auf einer Stufe mit Krankheitserregern, Schadstoffen und Parasiten, wenn es um die Bedrohung für das Überleben einer Art geht. Daher verwundert es nicht, dass hybride Tiere bei der IUCN nicht als reine Arten behandelt und daher auch nicht selbst auf der Roten Liste aufgeführt werden können. Die Folge: „Insgesamt werden Hybride in den rechtlichen Rahmenbedingungen entweder vernachlässigt oder als Bedrohung für die Erhaltungsziele angesehen“, so Draper und Kollegen.
Eine neue Herangehensweise
Zahlreiche Forschende plädieren mittlerweile dafür, dass die Rolle hybrider Tiere sowohl generell als auch rechtlich neu bewertet werden sollte. „Anstatt Hybride einfach als schädlich und entbehrlich zu betrachten, müssen die Auswirkungen der Hybridisierung von Fall zu Fall beurteilt werden“, schreiben etwa Thomas Dowling und Carol Secor von der Arizona State University.
Womöglich gelten Hybride tatsächlich irgendwann nicht mehr als Aussterbe-Beschleuniger für ihre Eltern, sondern als Weg, ihre genetische Einzigartigkeit in neuer Form zu erhalten.