Einzelgängerische Raubkatzen wie Tiger, Jaguar oder Luchs sind wie Phantome der Wälder. Ihre Bestände halbwegs zuverlässig zu ermitteln, ist für Feldbiologen ein kniffliges Suchspiel. Seit etlichen Jahren erleichtern automatische Wildkamerafallen es Zoologen, Tierpopulationen zu erfassen. Radiotelemetrie mit Funkhalsbändern wird mehr und mehr vom Fotofallen-Monitoring abgelöst.
Fotofallen im Dschungel
Um Zahlen zum Vorkommen von Luchs, Tiger & Co. zu erhalten, müssen die Fotos der Kamerafallen es ermöglichen, die abgebildeten Einzeltiere voneinander zu unterscheiden. So wird kein Tier doppelt gezählt, und manch eines verrät seine Wanderroute. Bei Arten wie Luchs, Tiger oder Leopard, die ein einzigartiges Fellmuster aufweisen, ist das gut möglich. „Capture Recapture“ (CR) nennen Forscher die Methode, „Fang und Wiederfang“, wobei es sich nur um eine Ablichtung per Wildkamera handelt.
Auf solchen einfachen CR-Modellen fußten bislang die meisten Untersuchungen zur Populationsdichte von Raubkatzen. Für die Feldforscher ist es aber eine Sisyphusarbeit, in deren riesigen Streifgebieten genügend Kamerafallen an Bäumen zu befestigen und die Fotospeicherkarten später einzusammeln und auszuwerten. Deshalb wird das Ganze oft nur in kleineren Gebieten durchgeführt. Doch damit verfehlen viele Biologen das Ziel: Sie produzieren mit solchen Fang-Wiederfang-Analysen allzu optimistische Bestandsschätzungen.
Bestand überschätzt
Das weisen Schweizer Biologen der in Muri bei Bern ansässigen Forschungsstelle „KORA – Raubtierökologie und Wildtiermanagement“ am Beispiel Luchs nach. Die Forscher hatten auf 760 Quadratkilometern die Schweizer Luchsvorkommen zwischen Genfer See und Thuner See ermittelt. Insgesamt zeigten die Wildkameras 78-mal das scheue Pinselohr. An 34 von 54 Standorten tappte ein Luchs in die Fotofalle. 19 verschiedene erwachsene Luchse wurden identifiziert, 15 zeigten sich mehrmals.
Das Ergebnis ihrer 2013 vorgestellten Studie: Je kleiner die untersuchte Gegend in CR-Modellen, desto höher fällt die ermittelte Populationsdichte einer Art je Quadratkilometer aus. Wurde nur ein kleines Areal ausgewertet, war die errechnete Zahl der Luchse pro Quadratkilometer bis zu dreimal so hoch wie bei Auswertung eines viel größeren Areals, ergab die Untersuchung.
Im Endeffekt hieße das für viele vorherige Studien: Die Bestände vieler gefleckter oder gestreifter Raubkatzen sind deutlich zu hoch angesetzt. Betroffen sei nicht nur der Luchs, der sehr große Lebensräume beansprucht, sagt KORA-Raubtierökologe Fridolin Zimmermann. Auch für andere Raubkatzen mit sehr großen Revieren wie zum Beispiel Geparden, Sibirische Tiger, aber auch für Leoparden, die in beutetierarmen Gegenden leben, gelte das.
Kai Althoetmar
Stand: 25.07.2014