1998 verabschiedete die Generalversammlung der Weltgesundheitsorganisation WHO eine Resolution, in der sie ihre Mitgliedstaaten zu Maßnahmen gegen das Problem der Resistenzbildung bei Bakterien aufrief. Im Jahr 2000 warnte die WHO vor einer „Gesundheitskatastrophe von Morgen“ und präsentierte eine globale Strategie zur Bekämpfung des Resistenzproblems. In Europa lancierte die EU einen jährlich am 18. November stattfindenden „antibiotic awareness day“, der die Problematik publik machen soll.
Vorreiter Niederlande
Geschehen ist seither allerdings nur wenig. Und dies, obwohl das Wissen darüber, wie sich der Siegeszug der multiresistenten Keime verhindern oder zumindest bremsen lässt, durchaus existiert und in einzelnen Ländern auch angewendet wird. Vorreiter in dieser Hinsicht sind die Niederländer. Als fast einziges Land in Europa schafften sie es, die Ausbreitung von MRSA in ihren Kliniken fast auf Null zu reduzieren – und dies teilweise mit fast schon erschreckend selbstverständlichen Maßnahmen.
So erhalten alle Pfleger und Schwestern gezielte Schulungen in punkto Hygiene und Umgang mit MRSA-Patienten. Ein Hygienefacharzt überprüft in jeder Klinik regelmäßig den Status bei Personal und Patienten – in Deutschland leisten sich gerade einmal zehn Prozent der Krankenhäuser einen solchen Facharzt. Gründliche Desinfektion von Händen, Kleidung und allen Gegenständen ist oberstes Gebot. Zudem werden alle eingewiesenen Patienten, die aus dem Ausland kommen oder bei denen der Verdacht besteht, sie könnten Träger von MRSA sein, per Nasenabstrich kontrolliert. Sind sie positiv, bekommen sie ein Bett in einem Isolierraum mit Unterdruck und strenger Zugangskontrolle.
Strengere Hygiene bringt Erfolge
Im Rahmen eines grenzüberschreitenden Kooperationsprojekts wurden in den letzen Jahren die niederländischen Prinzipien von einigen Krankenhäusern in Nordrhein-Westfalen übernommen. Das Ergebnis war durchschlagend: Das Uniklinikum Münster senkte die Rate der MRSA-Durchseuchung innerhalb von nur zwei Jahren auf die Hälfte. Ähnliches wurde auch in Frankreich beobachtet, das im Jahr 2000 noch eine der höchsten MRSA-Raten in Europa aufwies. Alarmiert erklärte die Politik die Bekämpfung von MRSA zur nationalen Strategie und stellte Geld für Schulungen, Aufklärung der Öffentlichkeit und Hygienemaßnahmen zur Verfügung. Inzwischen sinken die Infektionsraten wieder.
Hausarzt und Patient müssen mitmachen
Billig ist der Kampf gegen die multiresistenten Keime allerdings nicht, allein die Ausgaben für spezielle Isolierräume und die Tests sind enorm. Zudem müssen sich nicht nur die Kliniken, sondern auch die Hausärzte und die Patienten umstellen, beispielsweise, in dem sie nicht bei jedem Schnupfen unbedingt ein Antibiotikum verlangen. „Die meisten Länder machen den Fehler, dass sie sich nur auf die Kranken konzentrieren“, erklärte der niederländische Mikrobiologe Jan Kluytmans jüngst in einer 3sat-Sendung. „Das ist aber nur die Spitze des Eisbergs. Es müssen alle an einem Strang ziehen, eine nationale Strategie ist wichtig.“
Fortschritte in Deutschland nur langsam
In Deutschland ist Gesundheit allerdings Ländersache, der Richtlinien- und Zuständigkeitsdschungel vielgestaltig und fast unüberschaubar. Hinzu kommt, dass viele Kliniken auf die Kostenexplosion im Gesundheitswesen und den zunehmende Wettbewerbsdruck mit Einsparungen reagieren – Pflegepersonal und damit Zeit für gründliche Hygiene sind dabei oft die ersten Opfer. „Erfolge gegen die Ausbreitung von MRSA werden sich sicherlich nur langsam einstellen und gering sein“, prognostiziert der Infektiologe Harald Seifet von der Universität Köln. „Ich denke wir können froh sein, wenn wir das momentan mittlere Niveau halten und uns dann auch langsam wieder in Richtung niedrigerer Zahlen bewegen.“
Nadja Podbregar
Stand: 17.09.2010