Deutschland ist und bleibt scheinbar das Land der Autofahrer. In keinem anderen EU-Staat waren im Jahr 2014 mehr Autos angemeldet als in Deutschland und ihre Zahl nahm in den letzten Jahren stetig zu. 2016 waren es über 45 Millionen gemeldete PKWs. Doch unser Drang nach ständiger Mobilität hat auch Folgen. Schon jetzt empfinden die Deutschen den Straßenverkehr als nervigste Lärmquelle – über die Hälfte der Menschen fühlt sich vom Straßenlärm gestört oder belästigt.
Verwunderlich ist das nicht unbedingt, denn im Durchschnitt hört jeder zweite Deutsche tagsüber Mittelungspegel von über 55 Dezibel, nachts sind es noch 45 Dezibel. Jeder sechste bis siebte Deutsche muss durchschnittlich sogar noch zehn Dezibel mehr ertragen. Aus diesem Grund wird an vielen Fronten gegen den Lärm gekämpft – doch sorgen Lärmschutzwände, Flüsterasphalt und andere Schutzmaßnahmen tatsächlich für mehr Ruhe auf unseren Straßen?
Lärm in Farbe
Seit 2002 kann man Lärm in der Europäischen Union nicht nur hören, sondern auch sehen. Möglich macht das ein Lärmatlas, der detailliert zeigt, in welcher Stadt und welcher Straße es besonders laut ist. Die Lärmbelastung damit kein undefinierbares, subjektives Gefühl mehr, sondern sie ist orange, rot oder blau – je intensiver, desto lauter wird es meistens.
Die Lärmkarten erfassen inzwischen die Lärmbelastung vieler Straßen, Flughäfen, dem Schienennetz oder Industriegebieten. Ob eine solche Karte erstellt werden muss, hängt beispielsweise vom Verkehrsaufkommen ab. Für Hauptverkehrsstraßen sind Lärmkarten vorgeschrieben, wenn pro Jahr mehr als drei Millionen Fahrzeuge dort unterwegs sind. Bürger können die Karten in der Regel online auf den Seiten der jeweiligen Landesämter für Umwelt einsehen.
Schutz vor dem Schall
Grund für die Erstellung der Lärmkarten ist die Umsetzung der EG-Umgebungslärm-Richtlinie. In dieser ist festgelegt, dass die Mitgliedsstaaten an einem gemeinsamen Konzept arbeiten, um den Umgebungslärm zu reduzieren und schädliche Lärmauswirkungen zu verhindern. Dazu wird Lärm im ersten Schritt bildlich dargestellt, um danach Lärm-Aktionspläne entwickeln zu können.
Am häufigsten planen Gemeinden bisher, Straßenlärm durch zusätzliche Geschwindigkeitsbegrenzungen oder neue Straßenbeläge zu bekämpfen. Flüsterasphalt sorgt beispielsweise dafür, dass Autogeräusche leiser werden, weil Hohlräume im Straßenbelag den Schall besser schlucken. Schallschutzwände und spezielle Fenster sperren den Lärm dagegen aus der Wohnumgebung aus.
Eine Autobahn als Erholungsgebiet
Neben diesen klassischen Strategien gewinnt aber auch die lärmreduzierte Stadtplanung mehr an Bedeutung. Ein Einkaufscenter an einer vielbefahrenen Straße kann beispielsweise dafür sorgen, den Lärm vor umliegenden Wohnungen abzuschirmen. Außerdem setzen viele Städte auf eine bessere Anbindung durch zusätzliche Fahrradwege, öffentliche Verkehrsmittel oder Carsharing-Angebote, damit Menschen ihr Auto öfters mal stehen lassen.
Kreativ zeigte sich auch die Stadt Hamburg, die momentan Abschnitte der A7 mit drei Lärmschutzdeckeln überzieht. Diese Dächer reduzieren den Krach der Autos und sollen zusätzlich als Erholungsraum dienen. Denn auf dem Deckel sollen Parkanlagen, Kleingärten oder Wanderwege entstehen. Doch solche Maßnahmen sind in der Regel auch teuer und zeitaufwendig.
Hanna Diewald
Stand: 25.11.2016