So spinnefeind sich die beiden Supermächte USA und Sowjetunion auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges in den 1950er und 60er Jahren auch sein mögen: Die Wurzeln ihrer beider Raketen- und Raumfahrttechnologie haben sie gemeinsam. Sie reichen zurück bis in die letzten Monate des Zweiten Weltkriegs und zu einem Mann: dem deutschen Ingenieur Wernher von Braun.

Zuerst in der Heeresversuchsanstalt Peenemünde, später im „Mittelwerk“ nahe dem thüringischen Ort Nordhausen entwickelt von Braun für Hitler die „Wunderwaffe“. Durch skrupellosen Einsatz von Zwangsarbeitern und KZ-Häftlingen treibt der Ingenieur noch im letzten Kriegsjahr die Entwicklung seiner Rakete „A-4“ so weit voran, dass sie 1944 die Basis für die verheerenden V2-Angriffe auf London und weitere alliierte Ziele bilden kann. Mehr als 7.000 Menschen sterben allein in der englischen Hauptstadt durch die Raketen.
Doch nicht nur in Bezug auf ihre Tödlichkeit, auch in technischer Hinsicht übertrifft die A-4 mit ihrer maximalen Reichweite von 300 Kilometern und der Fähigkeit, in Höhen von bis zu 90 Kilometer aufzusteigen, alles bisher Dagewesene. Sowohl für die USA als auch für die Sowjetunion gibt es daher zu diesem Zeitpunkt keinen Zweifel, wo das ambitionierteste und fortgeschrittenste Raketenprogramm der Welt sitzt. Entsprechend fieberhaft sind ihre Versuche, sich die begehrte Technologie anzueignen.
Puzzlespiel mit Wrackteilen
Moskau, Sommer 1944, geheimes Forschungszentrum NII-1. Hier hat die Sowjetunion einige ihrer talentiertesten Ingenieure zusammengezogen, um das Geheimnis der A-4 zu knacken. Erste Chancen bieten Wrackteile, die nach Abstürzen hinter den sowjetischen Linien geborgen wurden. „Ein Haufen von Stahl, gebrochenem Glas, elektrischen Kabeln und zerschlagenem Gehäuse wurde in den Konferenzraum unseres Instituts gebracht“, erinnert sich später der russische Ingenieur Alexey Isajew. „In den nächsten zwei Monaten wurde der Raum ein Labor, in dem Raketenentwickler Hitlers ‚Wunderwaffe‘ aus Bruchstücken von Metallplatten, Aluminium und Elektronenröhren rekonstruierten.“