Nicht auf beschleunigte Teilchen, sondern auf die Kraft des eigenen Körpers setzen Forscher, die die körpereigenen Abwehrkräfte gegen Tumorzellen mobilisieren wollen. Denn grundsätzlich kann das menschliche Immunsystem Krebszellen als solche erkennen und bekämpfen, sofern diese sich ausreichen von gesunden Zellen unterscheiden. Da dies jedoch nur selten der Fall ist, bildet der Körper bei den meisten Krebserkrankungen keine eigenen, spezifischen Antikörper.
Insbesondere für krebskranke Kinder erhoffen sich die Wissenschaftler positive Wirkungen der immuntherapeutische Krebsbehandlung. Denn Leukämiezellen sind für eine Immuntherapie gut zugänglich und Leukämie ist die häufigste Krebsform, an der Kinder erkranken. So gibt es erste Versuche, bestimmte Abwehrzellen des Körpers, die T-Zellen, gezielt auf die Tumorzellen anzusetzen. Für diesen Therapieansatz rüsten die Forscher die T-Zellen im Reagenzglas so auf, dass sie bestimmte Merkmale auf den Oberflächen der Krebszellen erkennen und Zellen daraufhin zerstören. Bisher funktioniert dies allerdings nur eingeschränkt, denn häufig greifen die T-Zellen trotz ihrer Manipulation auch gesunde Körperzellen an. Krebsforscher arbeiten daher zurzeit daran, diese Methoden zielgerichteter und effektiver zu machen.
Antikörper mit doppelter Andockstelle
Bereits im klinischen Test ist eine spezielle Antikörpertherapie gegen die akute lymphatische Leukämie (ALL). Bei dieser verwenden Mediziner der Universität Würzburg mit dem Medikament Blinatumomab einen sogenannten bispezifischen Antikörper – ein Molekül des Immunsystems, das zwei Bindungsstellen besitzt. Eine davon ist so angepasst, dass der Antikörper gezielt an der Oberfläche der Tumorzellen andocken kann. Die zweite Bindungsstelle bietet den T-Zellen des Immunsystems eine Andockstelle an und erleichtert es ihnen damit, die Tumorzellen zu finden und zu vernichten. Diese kombinierte Antikörper-T-Zell-Antwort gegen den Tumor macht diese Immuntherapie besonders wirksam. Zurzeit läuft die Erprobung dieser Behandlung als Zulassungsstudie. Die Forscher hoffen, dass das Mittels in fünf Jahren zugelassen und für die Therapie von Patienten mit dieser Leukämie eingesetzt werden kann.
Noch sind viele Immuntherapien nicht so weit, dass damit weitreichende und exklusive Heilungserfolge erzielt werden konnten. Dennoch sind sie bereits eine vielversprechende Ergänzung zu den klassischen Therapieformen. Professor Peter Krammer, Leiter der Abteilung Immungenetik am Deutschen Krebsforschungszentrum, wählt dafür ein deutliches Bild: Er bezeichnet sie als „scharfe Kampfhunde, die allerdings noch nicht richtig von der Leine gelassen wurden“. Das Ziel der Forschung sei damit klar: „Wir müssen nur herausfinden, wie wir diese Kampfhunde richtig abrichten, damit sie an der richtigen Stelle zubeißen.“
Stand: 25.05.2012