Folgen wir der Geruchsspur vom Rezeptor weiter in die Riechsinneszelle hinein, so endet die biochemische Reaktionskaskade in der Herstellung großer Mengen des zweiten Botenstoffes cAMP, der direkt Ionenkanäle in der Membran öffnet. Diese Kanäle weisen einige funktional sehr wichtige Anpassungen auf.
So konnten Duftforscher schon vor längerem zeigen, dass die Kalziumionen aus dem Nasenschleim, die der Kanal in die Riechsinneszelle leitet, zwei völlig unterschiedliche Funktionen haben: Sie können als positive Ladung das Membranpotential verändern und somit zur Zellerregung beitragen. Bei steigender Konzentration können sie aber auch den cAMP-Kanal von innen her blockieren: Je intensiver und länger man einen Duft riecht, also diese cAMP-aktivierten Kanäle offen hält, desto höher steigt die Kalziumkonzentration in der Zelle, bis der Kanal sich irgendwann selbst abschaltet.
Damit ist die erste Erklärung für die Verarbeitung von Gerüchen auf molekularer Ebene gefunden. Wissenschaftler der Bochumer Universität konnten im letzten Jahr darüber hinaus zeigen, dass cAMP nicht nur direkt Ionenkanäle öffnen kann, sondern auch ein Enzym, die Proteinkinase A, aktiviert. Dieses kann durch Phosphorylierung von Natrium und Kalzium-Kanalproteinen diese Ionenkanäle abschalten. Da die Kanäle für den so genannten Aktionspotentialstrom verantwortlich sind, der eine Dufterregung aus der Nase ins Gehirn leitet, wird der Duft nicht länger gerochen – wir haben uns an ihn gewöhnt.
Düfte können auch hemmen
Obwohl molekularbiologische Arbeiten davon ausgehen, dass jede Riechsinneszelle nur einen einzigen Typ von Riechrezeptor auf der Oberfläche ausbildet, konnten wir jüngst erstmals zeigen, dass eine Riechzelle unterschiedlich auf verschiedene Düfte reagieren kann: Ein und dieselbe Zelle kann durch einen Duft erregt, durch einen anderen jedoch daran gehindert werden. Im Experiment verlor zum Beispiel eine auf Maiglöckchenduft (Bourgeonal) spezialisierte Riechzelle die Fähigkeit diesen Duft zu riechen, wenn sie zuvor einen hemmenden Duft wahrgenommen hatte.
„Hemmende“ Düfte aktivieren auf bisher unbekannte Weise eine andere biochemische Kaskade in der Zelle, an deren Ende nicht die Erhöhung der Konzentration von cAMP sondern PIP3 steht. PIP3 wird durch PI3- Kinase aus PIP2 gebildet. Diese Substanz kann die Öffnung der cAMP-aktivierten Ionenkanäle verhindern. Hemmung in diesem System bedeutet also keine direkte Beeinflussung des Membranpotenzials einer Zelle, sondern dass die Zelle nicht erregt werden kann, da die Kanäle blockiert sind.
Riechsystem komplexer als angenommen
Aktuelle Forschungsdaten geben erstmals Hinweise, dass man Hemmstoffe für Riechrezeptoren entwickeln kann, die den Rezeptor direkt blockieren und damit, ähnlich wie in der Pharmakologie, als konkurrierende Antagonisten wirken können. Diese Ergebnisse zeigen, dass Riechzellen und die Informationsverarbeitung im Riechsystem sehr viel komplexer sind als bisher angenommen, und dass bereits eine Signalverarbeitung auf peripherer Ebene im Riechepithel stattfindet. Dies wirft ein völlig neues Licht auf das Potenzial der möglichen Dufterkennungen und –unterscheidungen, zeigt aber auch, dass es vieler raffinierter zellulärer Prozesse bedarf, um dieses wichtige Sinnesorgan zu Höchstleistungen zu befähigen.
Stand: 23.07.2004