Es ist der 11. Mai 1997. Ein Datum, das in die Technikgeschichte eingehen wird. Denn im 35. Stock eines New Yorker Wolkenkratzers spielt sich ein historisches Duell ab: Mensch gegen Maschine. Der Mensch: Garri Kasparow, amtierender Schachweltmeister. Die Maschine: Deep Blue, ein von IBM entwickelter Schachcomputer. Nach sechs Spielen ist das Ergebnis klar: Der Computer hat den Schachmeister besiegt. Zum ersten Mal hat damit Maschinen-Intelligenz über den menschlichen Geist triumphiert. Aber ist Deep Blue deshalb schon intelligent?
Deep Blue: Rechengigant mit engen Grenzen
„Deep Blue ist kein lernendes System. Es kann seine künstliche Intelligenz nicht nutzen, um von seinem Gegner zu lernen und auch nicht, um seine aktuelle Position auf dem Schachbrett nachzudenken“, erklärt IBM auf ihrer Website. Der Vorteil des Schachcomputers war vor allem seine reine, brutale Rechenkraft: Deep Blue konnte 200 Millionen mögliche Schachzüge pro Sekunde kalkulieren und ermitteln, wie sie den weiteren Ablauf der Partie beeinflussen würden. Er schöpfte zudem aus einer umfangreichen Datenbank zuvor eingespeicherter Partien, die er zuverlässig abrufen konnte – unbeeindruckt von Stress oder anderen Faktoren.
Aber wie intelligent ist Deep Blue damit? Reicht es schon aus, in einem eng umgrenzten Feld – dem Schach – überragend zu sein? Wie lässt sich Intelligenz bei einem Rechner überhaupt ermitteln oder definieren? Genau diese Frage stellte sich auch schon Alan Turing im Jahr 1950, knapp ein halbes Jahrhundert vor Deep Blue.
Intelligent muss das sein, was herauskommt
Für Turing war klar: Nicht die Art und Weise, mit der Gehirn oder Prozessor zu ihren Ergebnissen kommen, ist entscheidend, sondern ob das, was herauskommt, intelligent ist. „Es interessiert uns nicht, dass das Gehirn die Konsistenz von kaltem Porridge hat, der Rechner aber nicht“, so Turing 1952 in einem Radiosendung. Auch dass das Gehirn chemische Signale austausche, der Rechner rein elektrisch arbeite, sei unwichtig.
Aufbauend auf diesem Gedanken entwickelte Turing den ersten Intelligenztest für Maschinen, den heute nach ihm benannten Turing-Test. Sein Prinzip ist dabei verblüffend einfach: Kann ein Mensch in einem Dialog mit einem für ihn unsichtbaren Partner nicht unterscheiden, ob ihm ein Mensch oder ein Computerprogramm antwortet, dann muss das Programm als intelligent gelten. Für Turing zählt damit letztlich schon die überzeugende Imitation von Intelligenz als Intelligenz.
So simpel der Turing-Test auch klingt – bisher hat kein Rechner ihn bestanden. Der Hauptpreis des jährlich stattfindenden Wettbewerbs für Maschinenintelligenz, immerhin 100.000 US-Dollar, ist noch immer unangetastet. So schlägt sich beispielsweise Brian, ein in Australien entwickeltes Dialogprogramm, bei einigen Standardfragen ganz wacker, scheitert dann aber an einer scheinbar völlig normalen Folgefrage:
Mensch: Gefällt dir das Wetter in Australien?
Brian: Es ist in Ordnung.
Mensch: Schneit es dort im Winter?
Brian: Nein, habe ich leider nicht.
Spätestens jetzt ist klar, dass Brian entweder überhaupt nicht bei der Sache ist oder aber eben nicht menschlich – ein Computer. Aber was macht den Turing-Test für die Rechner so schwer?
Nadja Podbregar
Stand: 22.06.2012