Ökologie

Kaskaden im Netzwerk

Sekundäres Aussterben und seine Folgen

Das Schicksal einer Art ist in komplexen ökologischen Netzwerken eng mit dem Schicksal aller anderen Arten des gleichen Ökosystems verbunden. In solchen Interaktionsnetzwerken kann das Aussterben einer Art als Erschütterung wie ein Erdbeben durch das Netzwerk von Art zu Art transportiert werden. Das Aussterben einer Art ändert die Lebensbedingungen ihrer direkten

Konsumenten- und Ressourcenarten, was den Rückgang, wenn nicht sogar das sekundäre Aussterben zur Folge haben kann.

Wenn die Assel ausstirbt, leiden nicht nur Käfer, sondern auch Vögel und andere Prädatoren. © Arctanx/ gemeinfrei

Im Beispiel gesagt: Das Aussterben der Asseln würde sowohl die Nahrungsgrundlage der Käfer als auch indirekt die der Vögel reduzieren, wodurch es zum Aussterben dieser Arten kommen könnte. Man spricht von einer sekundären Aussterbewelle, wenn sich dieser Prozess verselbstständigt und durch das Netzwerk wie eine Kaskade hindurchwirkt. Diese lawinenartige Fortsetzung durch das Ökosystem macht sekundäre Aussterbewellen besonders gefährlich.

Folgen werden erst mit Verzögerung sichtbar

Gleichzeitig sind Ursache und Wirkung, primäres und sekundäres Aussterben, oft viele Jahre voneinander getrennt. So wird die Konsequenz der derzeitigen menschlichen Eingriffe in die Ökosysteme erst Jahre später sichtbar werden. Ein solcher Vorgang kann mit der Aufnahme eines Kredits verglichen werden, bei dem die tatsächliche Zinsbelastung erst am Ende der Kreditlaufzeit bekannt wird.

Die wahren Kosten der menschlichen Land- und Ressourcennutzung sind derzeit nicht kalkulierbar. Wir befinden uns mitten in einem globalen Experiment und wissen noch nicht, ob die Ökosysteme unserer Erde die sechste Welle des Aussterbens aushalten werden, ohne ihre zentralen Funktionen zu verlieren. Fragen drängen sich auf: Welche Arten werden über längere Zeiträume verloren gehen? Wie werden natürliche Ökosysteme in Zukunft aussehen? Und welche Ökosystemdienstleistungen werden reduziert oder gehen ganz verloren? Die Suche nach Antworten setzt wissenschaftliche Methoden voraus, die die Zinsbelastung unserer Ökosysteme prognostizieren können.

  1. zurück
  2. |
  3. 1
  4. |
  5. 2
  6. |
  7. 3
  8. |
  9. 4
  10. |
  11. 5
  12. |
  13. weiter

Ulrich Brose, Universität Göttingen /DFG Forschung 2/2012
Stand: 16.08.2012

Keine Meldungen mehr verpassen – mit unserem wöchentlichen Newsletter.
Teilen:

In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Komplexer ist einfacher
Wie wirkt sich das Artensterben auf Ökosysteme aus?

Von der Assel zum Vogel
Artensterben und das einzelne Ökosystem

Kaskaden im Netzwerk
Sekundäres Aussterben und seine Folgen

Klare Regeln
Masse ist Trumpf

Große Arten als Stabilisatoren
Warum einfache Modelle für die Prognose nicht ausreichen

Diaschauen zum Thema

News zum Thema

Klimawandel ist zu schnell für viele Säugetiere
Jede zehnte Art kann der Verlagerung ihres Lebensraums nicht folgen

Artenschutz: Nashorn und Grauwal als Verlierer des Jahres
Menschenverursachtes Artensterben und Waldzerstörung schreiten auch 2011 ungebremst voran

Europa: Rote Liste wird länger
Naturerbe zeigt alarmierende Verlustzahlen

Klimawandel bedroht Meeresorganismen stärker
Ohne Anpassung könnte es zu einem erhöhten Artensterben kommen

Dossiers zum Thema