Naturereignisse/Naturkatastrophen

Keime, Schadstoffe und natürliche Filter

Hochwasser reaktiviert gesundheitsschädliche Stoffe

Wie wichtig die Hochwasserforschung ist, hat die Überflutung nun gezeigt: Ralph Meißner und seine Kollegen untersuchen zum Beispiel, welche Schadstoffe dabei in den Boden gelangen. Nach dem Hochwasser von 2002 suchten UFZ-Forscher gezielt nach Schwermetallen, organischen Schadstoffen und Bakterien. Sie werden etwa aus Klärwerken oder aus den Ölheizungen in Wohngebieten angeschwemmt und dringen überall da in den Boden ein, wo die Flutwelle hingelangt.

Detektivarbeit: Ralph Meißner (rechts) schaut mit Kollegen unter die Erde - hier bei der Entnahme einer Bodenprobe. © UFZ

Auen als Schadstoff-Fänger

Das schnell fließende Hochwasser wirbelt aber auch ältere, bereits abgelagerte Stoffe wieder auf – im Elbbereich sind das vor allem Altlasten aus der chemischen Industrie in Bitterfeld. Zwar trägt die Welle die Schadstofffrachten schon vor dem Hochwasserscheitel im Fluss weiter. Ralph Meißner gibt aber keine Entwarnung: „Unsere Auen sind belastet, und es werden nach wie vor Schadstoffe eingetragen.“

Auf die Auen entlang der Wasserläufe richten Meißner und seine Kollegen ihre besondere Aufmerksamkeit. Sie haben eine wichtige Funktion: Schad- und Nährstoffe filtern sie aus dem Wasser heraus und halten sie im Boden zurück – und das in gewaltigen Mengen. Laut einer 2013 veröffentlichten Studie des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) und des UFZ halten die untersuchten großen Flussauen jedes Jahr 42.000 Tonnen Stickstoff und 1.200 Tonnen Phosphor zurück, wenn das Wasser über die Ufer tritt. Außerdem speichern die heutigen Überflutungsauen schätzungsweise 157 Millionen Tonnen Kohlenstoff.

Flussauen wie hier an der Fulda nehmen Wasser auf - und auch die darin enthaltenen Schadstoffe © 2micha / CC-by-sa 3.0

Schwindende Puffer gegen die Flut

Bei Überflutungen dienen die Auen vor allem als Rückhalteraum, in dem sich das überfließende Wasser ausbreiten kann. Das Problem ist nur: Es gibt immer weniger Auen. Rund 70 Prozent der ursprünglichen Überschwemmungsgebiete in Deutschland mussten den Menschen weichen. „Es galt einmal als Errungenschaft“, sagt Mathias Scholz, Auenexperte am UFZ in Leipzig, „die flussnahen Flächen zu entwässern und sie für den Ackerbau zu nutzen.“ Die immer näher rückenden Deiche allerdings zwängen die Flüsse in ein enges Korsett, künstliche Begradigungen erhöhen die Fließgeschwindigkeit.

Deutschlandweit sind inzwischen zwei Drittel der ehemaligen Überschwemmungsgebiete durch Deichbau und andere Hochwasserschutzmaßnahmen verloren gegangen. An den großen Strömen wie Rhein, Elbe, Donau und Oder ist die Situation zum Teil noch drastischer. Mitunter stehen an vielen Abschnitten nur noch zehn bis zwanzig Prozent der ehemaligen Auen als Überschwemmungsflächen zur Verfügung.

  1. zurück
  2. |
  3. 1
  4. |
  5. 2
  6. |
  7. 3
  8. |
  9. 4
  10. |
  11. 5
  12. |
  13. 6
  14. |
  15. weiter

Franziska Roeder / Helmholtz Perspektiven
Stand: 09.08.2013

Keine Meldungen mehr verpassen – mit unserem wöchentlichen Newsletter.
Teilen:

In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Katastrophe mit Ansage
Das "Jahrhundert"-Hochwasser 2013 - und was Hochwasserforscher dazu sagen

Prolog: "Land Unter" in Deutschland
Das Hochwasser im Juni 2013 und seine Auslöser

Flucht vor der Flut
Als das Wasser zu den Hochwasser-Forschern kam

Keime, Schadstoffe und natürliche Filter
Hochwasser reaktiviert gesundheitsschädliche Stoffe

Wenn Deiche weichen
Deichrückverlegung soll natürliche Puffer wiedergewinnen

Hilfe zur Selbsthilfe
Mehr Förderung für private Vorsorge und bessere Versicherung

Diaschauen zum Thema

News zum Thema

Wie kann eine bessere Hochwasservorsorge aussehen?
Forscher schlagen Vier-Punkte-Plan vor, um Betroffene künftig besser zu schützen

Hochwasser: Deichbrüche und Rekordpegel
Die Wassermassen erreichen den Norden Deutschlands

Hochwasser: Durchweichte Böden versagten als Puffer
Ausmaß des Hochwassers bereits jetzt größer als im August 2002

Wetterextreme: Klimawandel ist schuld
Extreme Starkregen und Hitzewellen des letzten Jahrzehnts sind hausgemacht

Dossiers zum Thema