Phänomene

Keimkiller und Wundheiler

Kaltes Plasma in der Medizin

Ob in der Wundheilung, Krebstherapie oder dem Kampf gegen Keime – gerade in der Mikrobiologie und Medizin scheint sich kaltes Plasma zu einem wahren Tausendsassa zu entwickeln. Denn je nach Dichte und Zusammensetzung kann das ionisierte Gas Zellen zerstören, aber auch Gewebe zu neuem Wachstum anregen.

Aggressive Moleküle

Eingesetzt werden für diese Anwendungen kalte Plasmen mit geringem Ionisationsgrad, die – meist durch Laserpulse – aus Gas mit niedrigem Druck erzeugt werden. Wenn die energiereichen Elektronen dieses Plasmas auf die Moleküle der Umgebungsluft treffen, ionisieren sie diese zum Teil und produzieren hochreaktive neue Verbindungen wie Hydroxyl-Ionen (OH-), Stickstoffmonoxid (NO), Wasserperoxid oder Ozon (O3). Pro Kubikzentimeter kann ein Plasma Milliarden solcher freier Radikale erzeugen.

Diese aggressiven Moleküle greifen Zellwände, Stoffwechselwege und sogar die DNA von Bakterien, Pilzen und anderen Zellen an. Dabei zerstören sie durch chemische Reaktionen wichtige Biomoleküle und lassen die Zellen zugrunde gehen. „Diese freien Radikale können so die natürliche Abwehr von lebenden Organismen schnell überwinden und zu deren Zerstörung führen“, erklärt Xinpei Lu von der Huazhong Universität. „Gleichzeitig produzieren Plasmen auch Strahlung wie UV-Licht, das durch die von ihm verursachten DNA-Schäden ebenfalls sterilisierend wirkt.“

Mit Plasma gegen Keime

Der große Vorteil: Kaltes Plasma kann selbst die Bakterien und Krankheitserreger abtöten, gegen die gängige Methoden kaum helfen. So wirkt Plasma beispielsweise auf multiresistente Bakterien wie den Krankenhauskeim MRSA oder die sogenannten ESBL-Bakterien, die gegen die meisten Antibiotika immun sind. Experimente belegen, dass der Einsatz von kaltem Plasma beispielsweise bei offenen Wunden die Vermehrung und Ausbreitung dieser Erreger wirkungsvoll hemmen kann.

Biofilm
Bakterien in einem Biofilm – sie sind durch die Schleimmatrix besonders widerstandsfähig. © CDC

Und sogar gegen hartnäckige Biofilme lässt sich kaltes Plasma erfolgreich einsetzen, wie Lu und sein Team kürzlich herausfanden. Ein Biofilm besteht aus eng miteinander verbundenen Mikroorganismen, die sich durch eine selbstproduzierte Schicht aus Schleim gegen Umwelteinflüsse schützen. Häufig widerstehen die Bakterien in solchen Biofilmen selbst den gängigen Sterilisationsmethoden – und können so medizinische Geräte wie Sonden oder Kanülen dauerhaft kontaminieren. Erste Tests mit kaltem Plasma belegen jedoch, dass die hochreaktiven Radikale des Plasmas tief in die schützenden Schleimschicht eindringen können.

Auch zur Wasserreinigung könnte sich kaltes Plasma künftig einsetzen lassen. Forscher der University of Alabama haben erste Prototypen eines Systems entwickelt, das mittels Laserpulsen vor allem reaktive Hydroxyl-Ionen produziert. Sie können die Toxine giftiger Blaualgenblüten zerstören und unschädlich machen, wie Tests belegten. „Wenn diese Technologie zu einem praktisch einsetzbaren System weiterentwickelt wird, könnte sie Wasser zu geringeren Kosten reinigen als die gängigen Methoden“, sagt Studienleiter Ryan Gott.

Plasma als Tumorkiller

Die zellzerstörende Wirkung von Plasma könnte sogar in der Krebstherapie nützlich sein. Denn in Experimenten zeigt sich, dass die ionisierten Atome und Moleküle in einigen Fällen Krebstumore schädigen und zum Schrumpfen bringen können. Auch hier scheinen reaktive Sauerstoff- und Stickstoffverbindungen die Hauptrolle für diesen Effekt zu spielen. Noch allerdings sind Studien zu kaltem Plasma als Krebskiller noch im Anfangsstadium.

Wenn es jedoch gelänge, mithilfe der freien Radikale die Tumorzellen zu schädigen und wieder für die Immunabwehr sichtbar zu machen, könnten plasmabasierte Verfahren die etablierten Therapien ergänzen. „Das wäre für uns ein Durchbruch“, erklärt Sander Bekeschus vom Leibniz-Institut für Plasmaforschung und Technologie (INP) in Greifwald.

Plasma zur Wundheilung
Argonplasma fördert hier die Gerinnung einer Wunde im Darm. © Samir, Wikipedia en/ CC-by-sa 3.0

Heilende Pulse

Doch Plasma kann nicht nur zerstören – es kann auch die Heilung von Verletzungen fördern. Versuche zeigen, dass kurze Dosen eines schwachen Plasmas die Ausschüttung bestimmter Wachstumsfaktoren in Wundgewebe fördern. Dadurch werden unter anderem die Vermehrung von Bindegewebs- und Hautzellen und die Produktion von neuem Kollagen angeregt.

Ein weiterer positiver Effekt: Die Durchblutung der winzigen Kapillaren in der Haut und anderen Geweben erhöht sich unter dem Einfluss kalten Plasmas messbar – und auch das trägt zur schnelleren Wundheilung bei. Mediziner setzen daher sogenannte Plasma-Pens – stiftförmige Plasmageneratoren – schon seit einigen Jahren gegen hartnäckige Hautgeschwüre oder schlechtheilende Wunden ein.

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Plasma – der vierte Zustand der Materie
Ein physikalisches Phänomen als Werkzeug der Zukunft

Am Anfang war das Plasma
Das Wesen des vierten Zustands

Vom Gas zum Plasma
Wie man den vierten Materiezustand herstellt

Zwischen kalt und extrem heiß
Plasma ist nicht gleich Plasma

Von Feldern verformt
Die Wirkung von Magnetfeldern auf Plasma

Keimkiller und Wundheiler
Kaltes Plasma in der Medizin

Antriebsdüsen und feine Schnitte
Plasma-Anwendungen in Technik und Raumfahrt

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